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da Graf Siegfried unterdessen (937) gestorben war, dem Grafen Her-
mann, den man Billungs Sohn nennt, die Grenzgrafschaft, was in
dessen eigener Familie Neid erregte. — Wie wirksam aber König
Heinrichs und Siegfrieds Thätigkeit für die Sicherung des Landes
gegen die äußere Gefahr gewesen war, zeigte sich bald nach Heinrichs
Tode. Denn auf die Nachricht von seinem Ableben setzten sich sofort
die Scharen der Ungarn gegen die deutschen Lande, namentlich gegen
Thüringen und Sachsen, in Bewegung. Aber an den von Heinrich
errichteten festen Plätzen brach sich die Flut und sie verschonten fortan
Thüringen gänzlich mit ihren räuberischen Versuchen. Auch hören
wir von nun an nichts mehr von den Sorben und Daleminziern; sie
haben sich in ihr Schicksal gefügt und lehnen sich nicht mehr gegen
die deutsche Herrschaft auf — doch ohne Zweifel ein höchst wertvolles
Ergebnis von Heinrichs Herrschaft.
Otto I., der Große.
Ehe wir in der Geschichte Thüringens und der entstehenden
Meißner Mark fortfahren, wollen wir erst einen raschen Blick auf die
unseres großen Vaterlandes unter dem Sohne Heinrichs in dessen
ersten Jahren werfen, des Sohnes, den der zeitgenössische Chronist
größer nannte, als den auch von ihm als groß anerkannten Vater-
Größer war Otto I jedenfalls insofern, als er den Vater an hohem Flug
seiner Pläne übertraf; auch die Energie, sie durchzusetzen, hatte er vom
Vater geerbt; nicht immer aber zeigte er dessen für einen Fürsten nicht hoch
genug anzuschlagende Gabe, sich mit dem Erreichbaren zu bescheiden.
Der Gedanke, das aufstrebende Stammesherzogtum zu Gunsten einer
einheitlichen Leitung zu unterdrücken, lag zu nahe, als daß er nicht
einen Geist von Ottos Beanlagung gereizt haben sollte. Die Nieder-
werfung der 933 hereinbrechenden Ungarngefahr, die doch nicht bloß
Thüringen und Sachsen bedroht hatte, hatte den Deutschen wieder
einmal klar gemacht, daß ein einheitlich anerkanntes Oberhaupt, sobald
es nur guten Willen und die nötige Thatkraft besitze, ein bewunderns-
werter Schild und Schirm des Reiches sei; und Heinrich war mehr
gewesen, als ein gewöhnlicher Mensch. Aber es scheint, als vergäße
den Söhnen gegenüber, die Gleiches wollen, die Nation die den Vätern
mit heiligstem Herzensschwur versprochene Dankbarkeit. Gewählt hatten