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Entschädigungsland erschien ihm Friesland, mit dem in Berührung
zu kommen er namentlich während der Hoeks= und Kabeljauws-Un-
ruhen, dann während der der Käse= und Brotleute Gelegenheit genug
gehabt hatte. Wenn man das Gebiet der Friesen im weitesten Sinne
umfassen will, so begreift man darunter alles Küstenvolk von Eider,
Elbe, Weser und Ems bis an den holländischen Teil der Nordsee.
Westlich des Zuidersees wohnten die Westfriesen, die von den Grasen
von Holland unterworfen wurden, östlich davon dagegen die Ostfriesen,
deren Gebiet bis zur Weser reichte. Mit bewunderungswürdiger Zähig-
keit hielten diese Ostfriesen oder freien Friesen, wie man sie auch nannte,
an ihren alten republikanischen Freiheiten fest. Noch schickte ihnen in
altkarolingischer Weise der Kaiser Grafen zu, die das Land verwalteten.
Diese Grafen teilten das friesische Land zum Zwecke der Erfüllung ihrer
Pflicht in die sechs Seelande ein, in Ostergo, Westergo und die sieben
Wolden. Doch hatten alle diese Gaue ihre freie eigene Gerichtsbarkeit
und Steuerbewilligung und ihre freien Bewohner Zutritt zu allen Amtem.
Im Kriegs= oder in sonstigem Notfalle erwählte man nach alter germa-
nischer Art einen Herzog, der jedoch den, wohl von Italien nach
Deutschland herübergekommenen Titel Potestat trug. Der Kampf gegen
die Grafen von Holland erfüllt die mittelalterliche Geschichte der Friesen;
er zwang sie zu engerem Zusammenschluß. Namentlich hatten es
jene abgesehen auf das westerlauwersche Friesland, wo die Ostergoer,
Westergoer und Siebenwoldner wohnten in dem Landstriche zwischen
dem Zuidersee und dem Flüßchen Lauwer, das sich nordwestlich von
Groningen in die Nordsee ergießt. Es ist bekannt, daß Wilhelm von
Holland, den man in Deutschland als Gegenkönig gegen Friedrich II.
aufgestellt hatte, vor Stavoren am 28. Januar 1256 gegen die Friesen
streitend umkam. Ohne Wirkung auf die inneren Zustände bei den
Friesen blieben jedoch die Bestrebungen der holländischen Grafen nicht.
Sie, denen es, wenn auch nur vorübergehend, gelang, ihre Herrschaft
bis zur Lauwer auszudehnen, gaben Veranlassung zu einer Parteien-
bildung. Es gab Anhänger ihrer Herrschaft namentlich in den vor-
nehmen Kreisen, und so bildete sich eine aristokratische Partei, Weel
und einen Teil der Geistlichkeit umfassend, die sich „Vetkooper“, d. h.
Viehhändler, nannte; ihr trat feindlich gegenüber die der „Schieringer“
d. i. Wiesenbesitzer.