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an den verschiedenen Stühlen ganz öffentlich, ohne Hehl, vor sich.
Unter einem Baume vor dem Thore der Stadt, auf Hügeln, an
Brücken, über die die Heerstraße führte, in Burghöfen, ja innerhalb
der Städte auf dem Markte saß der allen Leuten bekannte Freigraf
mit seinen ebenfalls aller Welt bekannten sieben Schöppen zu Gericht;
oft wurden noch andere Schöppen hinzugezogen; man legte sogar bei
wichtigeren Sachen auf deren möglichst zahlreiches Erscheinen besonderen
Wert. Publikum fand sich auch zahlreich genug ein; es mußte aber
abtreten, sobald aus der öffent-
lichen Verhandlung ein beschlosse-
nes Ding gemacht wurde, wie
das auch früher schon bei den
altdeutschen Grafengerichten der
Fall gewesen war. lbrigens
wurde es Sitte, auch außerhalb
der „roten Erde“, eine Bezeich-
nung, die, nebenbei bemerkt, erst
gegen Ende des 15. Jahrhunderts
gebräuchlich wird, Wissende zu
haben. Kaiser Sigismund sah
es gern, wenn namentlich Für-
Vemlinde bei Dortmund. sten sich dazu machen ließen.
Darunter der steinerne Richtertisch. Auch die sächsischen Fürsten ge-
hörten dazu.
Nun übten aber diese westfälischen Vemgerichte keine ständige
Amtsgewalt aus, auch keine räumlich oder sachlich begrenzte, sondern
sie traten immer nur zur Aburteilung bestimmter, außerordentlicher
Fälle in Thätigkeit. Ursprünglich wollten sie nur dazu da sein, um
im Falle der Rechtsverweigerung durch den zuständigen Richter an
Kaisers Statt des Rechtes zu walten, oder wenn sich der schuldig
gefundene Teil hartnäckig der Genugthuung entzog oder wenn dem
Beklagten auf andere Weise nicht beizukommen war. Auch galt ur-
sprünglich nicht jedes Vergehen für „vemewrogig“, d. h. als der
Rechtspflege der Veme untergeben, sondern nur Diebstahl, Raub,
Mord und unrechtmäßige Fehde. Aber später verwischten sich solche
Grenzen und man glaubte einerseits, daß die Zuständigkeit der Veme