Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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genosse aber, wenn er verklagt war, mußte wohl oder übel erscheinen; 
er suchte sich durch Eideshelfer zu reinigen, die er bis zu 18 Mann, 
sie in langer Kette hinter sich herführend, dem Gerichte vorstellte. 
Blieb der Vorgeladene aus, so verwandelte sich die offene Sitzung 
stets in eine heimliche; doch wurde zunächst dem Kläger Sicherheit 
gegeben für seinen Gegner, während der Freigraf noch einen Aufschub 
der Frist für den Angeklagten bis zur nächsten Sitzung erbat. In 
dieser aber wurde dem Angeklagten, wenn er wieder nicht erschienen 
war, der Urteilsspruch gefällt, der stets auf den Tod durch die „Wide“, 
d. h. ursprünglich durch Hängen an einem Geflecht aus Weidenruten, 
lautete. In feierlicher Formel überwies der Freigraf den Leib des 
Schuldigen den Tieren und Vögeln zum Fraße, die Seele Gott, er- 
klärte seine Frau zur Witwe und seine Kinder zu Waisen, verbot ihn 
seinen Freunden und erlaubte ihn seinen Feinden. Dann warf er 
zum Zeichen der Ausstoßung des Vervemten aus der menschlichen 
Gesellschaft den zusammengebogenen Weidenstrick über die Schranken 
und die Schöffen spuckten dabei aus. Nun waren zwar alle Frei- 
schöffen verpflichtet, das Urteil zu vollstrecken, wo immer sie des 
Mannes habhaft würden; aber da einer allein es nicht thun durste, 
sondern mindestens drei zusammen des Amtes walten mußten, im 
übrigen aber man sich zu solchen Exekutionen nicht zu drängen pflegte, 
so blieb wohl eine große Anzahl der so gefällten Todessentenzen ohne 
weitere schlimme Folgen. Doch reichten auch die zur Vollstreckung ge- 
brachten Fälle aus, einen großen Schrecken vor dem heimlichen Ee- 
richte zu verbreiten. 
Damit stieg aber die Anmaßung der Freistühle. Sie kanzelten 
gelegentlich selbst ihren Gönner Sigismund ab, sie bestritten Kaiser 
Friedrich III. überhaupt das Recht, sich in ihre Sachen zu mischen, 
da er kein Wissender sei, sie citierten sogar Kaiser Maximilian, seinen 
Kanzler und die Mitglieder des Reichskammergerichts vor den Stuhl 
zu Wunnenberg und bedrohten ihn im Falle des Ausbleibens mit der 
letzten Sentenz. Man begann sich allmählich gegen solche Überhebung 
aufzulehnen. Außerdem schadete den Freigerichten, daß sie einander 
alle gleichgeordnet waren und darum eine verurteilende Sentenz des 
einen Gerichtes bei einem anderen in eine freisprechende verwandett 
werden konnte. Auch waren, dem geldgierigen Charakter der Zeit
	        
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