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gemehrt. So begegnen uns allenthalben in den städtischen Chroniken
und Urkundenbüchern und in den Edikten Bestimmungen, die die Ver-
mehrung des Kirchen= und Klostervermögens hintertreiben sollen. Mit
Beziehung auf die Landgrafen von Hessen und Thüringen klagt 1366
Erzbischof Gerlach von Mainz, daß sie ruhig zusähen, wie ihre Vasallen
und ihre Städte bestrebt wären, sich auf Kosten der Kirche zu bereichemn.
Aber auch nach der vorgesetzten Behörde zu Rom richten sich die be-
sorgten Augen der besitzenden Geistlichkeit; denn die Geldforderungen
der Päpste hielten gleichen Schritt mit der durch freigebige Frömmig-
keit hervorgerufenen Vermehrung des Vermögens der einzelnen Kirchen.
Es ist der Mainzer Klerus, der 1372 gegen die päpstlichen Erpressungen
seine Stimme erhebt; durch seine Schilderung der allgemeinen Gemüts-
verfassung bei dem niederen Klerus und bei dem Bürgerstande wird uns
ein Blick eröffnet auf die im stillen wachsenden Gewalten, die sich
150 Jahre später gegen das Joch der römischen Kirche siegreich erhoben.
Gegen die Pest traten gleichzeitige endemisch gewordene Krank-
heiten in den Hintergrund. Der Aussatz scheint etwas abgenommen
zu haben, doch finden sich noch immer Bestimmungen darüber; die
erfurter vom Jahre 1389 dürften sich wohl in ähnlicher Gestalt an
anderen Orten vorgefunden haben; sie beweisen, daß man sich durch
Absperrung vor einer Weiterverbreitung der Krankheit zu schützen suchte.
Kein fremder aussätziger Mensch, heißt es darin, soll in Erfurt auf-
genommen werden, sondern nur die aus der Stadt und deren Weich-
bilde sind, und zwar sollen die Männer ins Siechenhaus bei Ilvers-
gehofen, die Frauen aber in das beim Krempffer Thor gebracht werden
ohne Gabe. Aussätzige sollten auch nicht betteln stehen oder gehen,
sondern andere gesunde Bettler für sie in einer verschlossenen Büchse
das Almosen einsammeln, die Vormünder aber den Schlüssel dazu
haben und sie versorgen, eine Bestimmung, die uns einigermaßen
wunderlich dünkt, da die gesunden Bettler doch wohl lieber für eigene
Rechnung gearbeitet haben dürften. Stand jemand im Verdachte, vom
Aussatz ergriffen zu sein, wollte es aber nicht zugeben, so sollte er
durch sachverständige Ärzte untersucht und dem von diesen abgegebenen
lrteile entsprechend nach einem Siechenhause geschafft werden. Dort
hatte er zu verbleiben, oder, wenn er es nicht that, wurde er aus
dem Stadtgebiete gewiesen. Natürlich durfte auch niemand einen Aus-