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Oberhoheit immer wieder unangenehm ins Gedächtnis brachte, waren
die schon öfter erwähnten, unter den verschiedensten Vorwänden erhobenen
Geldforderungen der Geistlichkeit, die einesteils ihren Grund in den
ebenfalls durch die Umwandlung der Naturalwirtschaft in die Geld=
wirtschaft erzeugten finanziellen Schwierigkeiten der Geistlichkeit, andern-
teils und vor allem in der grenzenlosen Habsucht der Kurie zu suchen
haben. Dazu kam, daß namentlich die höhere Geistlichkeit unter dem
Einflusse einer neuen, am Altertum gebildeten, dem Christentum aber
abgewandten Zeitrichtung mehr als sonst feinerem Lebensgenuß fröhnte,
aber auch damit ihren Geldbedarf vermehrt sah. Das war schon die
Ursache, die die Konzile von Pisa und Konstanz hervorgerufen hatten;
wir wissen, mit welchem Erfolge! Denn noch erkannte man eben nicht,
daß es sich hier nicht um eine äußere „Reformation der Kirche an Haupt
und Gliedern“ handelte, sondern daß es einer inneren Reform, einer
Erneuung des verloren gegangenen christlichen Glaubensprinzips und
einer Umgestaltung des kirchlichen Lehrbegriffs unter Beiseitelassung
des rein Außerlichen und vor allem der Abhängigkeit von Rom be-
durfte. Daher die ganz hervorragende Sympathie, die der Konzils-
bewegung entgegengetragen wurde, daher schon vorher die ursprüng-
liche Anteilnahme des Volkes an der Geißlerbewegung, die sofort
umschlug, als man in ihr statt einer natürlich empfundenen Reaktion
gegen die mißbräuchliche Stellungnahme der Kirche ganz andere und
mitunter ketzerische Neigungen zu spüren begann. Schon 1350 hatte sich
zu Erfurt ein den Flagellanten Angehöriger mit Namen Konstantin für
den Sohn Gottes ausgegeben und war dann auf dem großen Markte
verbrannt worden. Er hatte zwar in Aussicht gestellt, daß er nach dreien
Tagen wieder auferstehen werde; „er ist aber weder Simoni noch irgend
jemand anderem erschienen“, fügt die alte erfurtische Chronik jener Nach-
richt hinzu. Die Geißler fanden in Erfurt noch einmal neuen Auf-
schwung, kurz bevor das Kostnitzer Konzil eröffnet wurde; es muß
dazu bemerkt werden, daß auch in Italien zu Ende des 14. Jahr-
hunderts die kaum unterdrückte Geißlerbewegung neu im Aufblühen
begriffen war. Der erfurter Leiter der Bewegung war ein gewisser
Konrad Schmidt. Seinen Anhängern galt er für Elias, ein Genosse
von ihm, der auch alsbald den Feuertod erlitt, für Henoch; beide
würden einst dem jüngsten Gericht vorsitzen. Ihre Meinungsäuße-
Sturmhoesel, Geschlchte der sächsischen Lande. 61