Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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rungen standen in einem ganz bewußten und gewollten Gegensatz gegen 
die Kirche der Zeit: Papst und Geistliche haben keine Gewalt weder 
zu binden noch zu lösen; die Kirchen sind bloße Steinhaufen und 
Räuberhöhlen, die Messe Hundegeheul, das Altarsakrament ein Kuckuck 
der Priester, die ihren Beutel füllen wollen. Es ist nun im Gegen- 
satz zu der Stimmung von sechzig Jahren vorher bemerkenswert, daß 
die Anhänger dieses merkwürdigen Mannes nun doch schon nach Hun- 
derten zählten, wenngleich darum das religiöse Gleichgewicht Ersurts 
nicht in Frage gestellt wurde. 
Nur das eine blieb fortklingend als Grundton der gegen die 
Kirche sich immer deutlicher geltend machenden Bewegung: Hoch und 
Niedrig haßte die nie zu befriedigenden Geldansprüche der Kurie 
oder noch mehr die verschiedenen Praktiken und Kniffe, auch ohne 
direkte Forderung sich Geld zu verschaffen. Schon lange, noch ehe 
Luther sich dagegen stemmte, spielt hier die Ablaßfrage eine große 
Rolle. Jenen Vorsprung, den die abendländische Kirche bei ihrer end- 
gültigen Trennung von der morgenländischen durch ihre Auffassung 
von der Buße gewonnen hatte, gab sie nun selbst wieder auf durch 
die mechanische Ausdeutung des Ablasses, als bedeute er nicht Be- 
freiung von der durch die Kirche auferlegten Bußhandlung für eine 
begangene Sünde, sondern Vergebung und Nichtigmachung dieser selbst. 
Das trat in skandalöser Art bei den sogenannten Jubeljahren zu Tage, 
die ihren Anfang im Jahre 1300 durch die Bulle des Papstes Boni- 
saz VIII. Antiquorum habet nahmen und eben nach dieser Bulle 
jedem in diesem Jahre nach Rom kommenden und sich da 15 Tage 
aufhaltenden Pilger zu den Gräbern der Apostel den allervollkommensten 
Ablaß zusicherte. Dieser selbe Segen sollte dann in jedem folgenden 
100. Jahre den frommen Romfahrern zu teil werden. Aber die un- 
geheure Menschenmenge die sich bei dieser ersten Gelegenheit nach Rom 
gedrängt hatte, und vor allem der damit verbundene Vorteil für den 
Wohlstand der römischen Bevölkerung und dadurch für die Kassen 
des Papstes gab die Veranlassung, daß schon Clemens VI. 1349 
die Frist der Wiederkehr eines Jubeljahres auf 50 Jahre, Urban VI. 
1389 mit Bezug auf die Lebensjahre Jesu Christi auf Erden sie auf 
jedes 33. Jahr und endlich Paul II. (1464—1471) sie auf jedes 
25. Jahr reduzierte. Und dabei gingen die Pöhste alsbald selbst
	        
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