Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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über die ursprünglichen Festsetzungen hinaus. Schon Bonifaz IX. 
(1389——1404) veranstaltete ein Nachjubeljahr und erteilte vor allem 
nach dem Grundsatze, daß, wer die Gnade nicht holen wollte oder 
könnte, sie sich auch heimbringen lassen dürfe, dieselbe Gnade beauf- 
tragten Personen um Geld; er sandte Ablaßverkäufer umher, die für 
die Summe, welche die Reise nach Rom eventuell gekostet hätte, 
vollkommen Ablaß erteilen konnten, und gab selbst weltlichen Fürsten, 
wie dem König Wenzel, den bayerischen und meißnischen Landesherren, 
sogar einzelnen Städten das Recht, daß man bei ihnen für die Er- 
legung der Summe, welche die Fahrt nach Rom gekostet hätte, den 
gleichen Ablaß gewinnen konnte; hierbei wurde bezeichnenderweise der 
Erlös zwischen dem Papste und dem weltlichen Vertreiber geteilt. 
Um ein paar spätere Fälle zu erwähnen, so kam am 1. November 
1489 als pöpstlicher Ablaßkommissar Dr. jur. Günther von Bünan 
nach Zwickau und verkündete, in feierlicher Prozession empfangen, das 
güldene oder Gnadenjahr, worauf er bei dem auf dem Markte errichteten 
großen Gnadenkreuz durch seinen Begleiter Joh. Gurballandis, einen 
Italiener, ein Vierteljahr lang Ablaß von allen Sünden predigen und 
verkaufen ließ. Als man nach Schluß des Verkaufs am 29. Januar 
folgenden Jahres in Gegenwart der beiden Vorgenannten, zweier 
Pfarrherren und des Rates den Gnadenkasten in der Marienkirche 
öffnete, fand man die hübsche Summe von 1393 Gulden darin. 
Reicher wäre der Ertrag noch in Freiberg gewesen, wohin der päpst- 
liche Bevollmächtigte um die Fastenzeit 1490 kam, wenn sich nicht 
ein unangenehmer Zwischenfall zugetragen hätte. Am Dienstag nach 
Oculi, als das auch hier aufgerichtete Gnadenkreuz drei Wochen ge- 
standen hatte und wie gewöhnlich das eingekommene Geld in den 
Gotteskasten im Dome eingelegt worden war, stahl ein Hirt aus dem 
südlich von Freiberg gelegenen Dorfe Lichtenberg, der sich nachts hatte 
einschließen lassen, alles bisher gesammelte Geld aus der Truhe. Das 
war um so betrüblicher, als der Mann, der zunächst unbemerkt ent- 
wischt war, erst später ausfindig gemacht wurde, nachdem schon mancher 
Unschuldige, wie das so geht, in Verdacht gekommen und nach der 
Sitte der Zeit gemartert worden war; von dem ganzen eingelegten 
Gelde, nämlich 1491 Gulden 5 Groschen 3 Pfennige, fand man bei ihm 
selbst nur noch 10 rheinische Gulden und 5 Schock alter Münze, in 
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