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über die ursprünglichen Festsetzungen hinaus. Schon Bonifaz IX.
(1389——1404) veranstaltete ein Nachjubeljahr und erteilte vor allem
nach dem Grundsatze, daß, wer die Gnade nicht holen wollte oder
könnte, sie sich auch heimbringen lassen dürfe, dieselbe Gnade beauf-
tragten Personen um Geld; er sandte Ablaßverkäufer umher, die für
die Summe, welche die Reise nach Rom eventuell gekostet hätte,
vollkommen Ablaß erteilen konnten, und gab selbst weltlichen Fürsten,
wie dem König Wenzel, den bayerischen und meißnischen Landesherren,
sogar einzelnen Städten das Recht, daß man bei ihnen für die Er-
legung der Summe, welche die Fahrt nach Rom gekostet hätte, den
gleichen Ablaß gewinnen konnte; hierbei wurde bezeichnenderweise der
Erlös zwischen dem Papste und dem weltlichen Vertreiber geteilt.
Um ein paar spätere Fälle zu erwähnen, so kam am 1. November
1489 als pöpstlicher Ablaßkommissar Dr. jur. Günther von Bünan
nach Zwickau und verkündete, in feierlicher Prozession empfangen, das
güldene oder Gnadenjahr, worauf er bei dem auf dem Markte errichteten
großen Gnadenkreuz durch seinen Begleiter Joh. Gurballandis, einen
Italiener, ein Vierteljahr lang Ablaß von allen Sünden predigen und
verkaufen ließ. Als man nach Schluß des Verkaufs am 29. Januar
folgenden Jahres in Gegenwart der beiden Vorgenannten, zweier
Pfarrherren und des Rates den Gnadenkasten in der Marienkirche
öffnete, fand man die hübsche Summe von 1393 Gulden darin.
Reicher wäre der Ertrag noch in Freiberg gewesen, wohin der päpst-
liche Bevollmächtigte um die Fastenzeit 1490 kam, wenn sich nicht
ein unangenehmer Zwischenfall zugetragen hätte. Am Dienstag nach
Oculi, als das auch hier aufgerichtete Gnadenkreuz drei Wochen ge-
standen hatte und wie gewöhnlich das eingekommene Geld in den
Gotteskasten im Dome eingelegt worden war, stahl ein Hirt aus dem
südlich von Freiberg gelegenen Dorfe Lichtenberg, der sich nachts hatte
einschließen lassen, alles bisher gesammelte Geld aus der Truhe. Das
war um so betrüblicher, als der Mann, der zunächst unbemerkt ent-
wischt war, erst später ausfindig gemacht wurde, nachdem schon mancher
Unschuldige, wie das so geht, in Verdacht gekommen und nach der
Sitte der Zeit gemartert worden war; von dem ganzen eingelegten
Gelde, nämlich 1491 Gulden 5 Groschen 3 Pfennige, fand man bei ihm
selbst nur noch 10 rheinische Gulden und 5 Schock alter Münze, in
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