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die Volksbildung des ausgehenden Mittelalters hat neben der Kennt-
nis der lateinischen Sprache und einiger ihrer namhaftesten Vertreter,
wie des Sallust und Cicero, das speculum universale des Vincenz
von Beauvais ausgeübt, der Erzieher der Kinder des französischen
Königs Ludwig des Heiligen war, dem Dominikanerorden angehörte
und 1264 starb. Auf Veranlassung des königlichen Vaters schrieb er
für seine Zöglinge jenen „Weltspiegel“, ein encyklopädisches Werk,
das eine Übersicht von den zu jener Zeit gangbaren Kenntnissen giebt
und bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts seine Bedeutung
behalten hat. Doch wurde es mehr dem Unterricht auf den höheren
Schulen und privater Unterweisung zu Grunde gelegt; die daraus
geschöpften Kenntnisse gingen aber doch in einer von uns nicht mehr
nachzuprüfenden Weise vielfach in den Besitz weiterer Kreise über.
Die Organisation der Stadtschulen schloß sich an das zünftische
Vorbild an: die Lehrer an ihnen bildeten eine Innung. An der
Spitze stand der Meister der Schule, auch Rektor genannt; unter ihm
standen die anderen Lehrer, seine Gesellen, die in Urkunden neben dem
Schulmeister als Schulgesellen figurieren. Sie samt ihren Schülern
genossen des Schutzes der Obrigkeit, und für die ihm untergebene
Schar hatte der Rektor dem Rate das feierliche Gelöbnis abzulegen,
diesen als seine Obrigkeit anzusehen und bei sonst niemand Recht zu
suchen. Der Korporationsgeist der gelehrten Innung trieb mitunter
sonderbare Blasen. So gerieten 1535 die Schulgesellen der Kreuz-
schule zu Dresden in Konflikt mit den Schneidergesellen, und die
Feindseligkeiten dauerten drei Wochen; sie waren von solcher Heftig-
keit, daß an sechs verschiedenen Tagen sechs bis acht Sicherheits-
wächter zum Schutze der Schule und — des Stadtkellers aufgestellt
werden mußten. Die an dem Unfuge beteiligt gewesenen Handwerks-
gesellen wurden dann auf zwei Jahre aus der Stadt gewiesen. —
Den Rektor oder Schulmeister wählte der Rat auf eine bestimmte
Zeit, gemeinhin auf ein Jahr, und er suchte sich dann seine Gehilfen
nach seinem Gutdünken, befoldete sie auch gewöhnlich aus seiner Tasche.
Er selbst war auf das Schulgeld und etwaige kirchliche Verrichtungen
angewiesen, erhielt wohl auch vom Rate eine kleine Besoldung. Eine
lohnende Beschäftigung und spätere Beförderung eröffnete sich den-
jenigen Schulmeistern, die Kenntnisse und Gewandtheit genug besaßen,