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dessen letzte, allerdings sehr gemilderte Spuren noch immer auf unseren
Alumnaten und Fürstenschulen zu finden sind. Die armen Schützen
hatten meistenteils von dem, was sie eigentlich nach der Stadt getcieben
hatte, gar nichts zu gewärtigen. Unterricht, Fortschritt im Lernen war
im günstigsten Falle Zufall. Dagegen waren sie ihren Bachhanten,
die darüber mit Argusaugen wachten, zu allerhand, vielfach erniedrigen-
den Dienstleistungen verpflichtet. Sie mußten ihnen „präsentieren",
wie der Kunstausdruck lautete, d. h. ihnen den nötigen Lebensunter-
halt und das Geld herbeischaffen, um den Schulmeister zu bezahlen.
Zu dem Ende hielten die Bacchanten die Schützen fleißig an — und
darin bestand zumeist ihr einziger Fleiß — für sie betteln und — stehlen
zu gehen. Denn schon der Name Schütze bedeutet in dem Jargon
der Fahrenden nichts anderes als Stehler, wenn es sich auch schon
in der Praxis lediglich um die Erbeutung von Lebensmitteln, ins-
besondere von Gänsen, Hühnern und sonstigem Federvieh, handelte.
Merkwürdigerweise hat sich noch bis auf den heutigen Tag im Schüle-
munde der Ausdruck „Schießen" für Ancignung von Gegenständen
erhalten, die nach Ansicht der Schüler das Recht haben, Gemeingut
zu sein, als Löschblätter, Bleistifte, Federhalter u. dgl.
Fürdie Schicksale des armen Schützen, der einem Bachhanten cder,
wie er auch genannt wurde, einem Beane zu „präsentieren" hatte geben
un die Wende des 15. zum 16. Jahrhundert die Schicksale des Johamnes
Butzbach aus Miltenberg in Unterfranken und des Thomas Platter
aus dem Visperthale in Wallis in der Schweiz mehr als einen
Beleg. Der erstere wurde als etwa zehnjähriger Knabe, und zwar
offenbar als Sohn nicht unvermögender Eltern, einem Nachbarssohn,
der von fremden Schulen als „Beanus" nach Hause zurückgekchtt
war, von dem Bater übergeben, da er versprach, ihn auf guten Schulen
unterrichten zu lassen und dabei für seinen Unterhalt zu sorgen. Da-
für erhielt der Bacchant ein Sümmchen von dem Vater des Johannes
ausgezahlt, und nun begab man sich auf die Wanderschaft, die für
den armen Jungen aber alles andere, namentlich Hunger, Todesangst.
Prügel, schlechte Behandlung, aber nicht die Spur von der gehofften
wissenschaftlichen Förderung brachte. Nach zwei Besuchen in Nüm-
berg und einem in Forchheim wandten sich die beiden nach Böhmen,
weil der Bean aus Franken fortwollte, wo noch immer die Möglichtet