Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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wenn sie sich ihnen auch unter dem Einflusse der Kirche in unholde 
Dämonen verwandelt hatten, nach wie vor übten in Meißen im Nieder- 
lande die alten slavischen Götter ihren Einfluß aus, und im Erzgebirge 
wimmelte es von Grubensagen. Noch heute gehen in Thüringen die 
Erzählungen im Schwange von Frau Holle und Frau Perchta und vom 
wilden Jäger und seiner Schar, in dem sich die Erinnerung an Wotan 
gehalten hat; in den Hörselberg versetzt die mittelalterliche Sage Frau 
Venus mit ihrem Hofe und den Tannhäuser; in Erfurt ward gerade am 
Ausgange des Mittelalters die Sage vom Dr. Faustus lokalisiert; nach 
der im 16. Jahrhundert allgemein verbreiteten Überlieferung stammte 
er aus dem Dorfe Roda bei Weimar (heute Rödigen) und las an der 
Universität Erfurt über Homer, stand also im humanistischen Lager, und 
bewies überdies und vor allem als Zauberer infolge seines Paktes 
mit dem Teufel große Geschicklichkeit. Da der Bekehrungsversuch bes 
Dr. Klinge, eines frommen Barfüßermönches, mißlang, so wurde Faust 
auf dessen Veranlassung hin vom Rektor und Rat von der Universität 
und der Stadt verwiesen. Von seinem Höllenzwange und sonstigen 
Bethätigungen seines Bündnisses mit dem Teufel wußte man auch im 
Meißnischen furchtbare Dinge zu berichten, namentlich in Leipzig, 
wo sich bekanntlich die Faustsage in Auerbachs Keller lokalisiert hat. 
Es bedarf keiner besonderen Versicherung, daß in Thüringen wie in 
Meißen der Glaube an Zauberer und an Hexen durchaus lebendig war 
und zu Zeiten seine Opfer forderte. Es würde zu weit führen, wenn 
man aus dem reichen Quell thüringischer und sächsischer Sagen auch 
nur die herausnehmen und mitteilen wollte, die auf den derzeitigen 
Stand der Bildung des Volkes ein besonderes Licht werfen. Erwähnt 
seien nur ein paar Sagen historischen Charakters; vor allem gehört 
hierher die Kaisersage, die gerade am Ende des Mittelalters mit 
besonderer Stärke auflebte und die Wiederkunft Kaiser Friedrichs II., 
der im Kyffhäuserberge verborgen sei, in Aussicht stellte. Schon 
Joh. Rothe erwähnt des Kyffhäusers in diesem Zusammenhange und 
hundert Jahre vor ihm der um 1341 gestorbene hessische Chronist 
Joh. Rytessel. Um wichtige Zeitereignisse spann sich auch bald die 
Sage, wie um die Schlacht von Lucka oder den Prinzenraub u. a., 
ebenso um hervorragende Persönlichkeiten. So erklärte man sich die 
Einäugigkeit des Markgrafen Wilhelm, der 1407 zu Grimma verstarb,
	        
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