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in gewissen Kreisen durch eine strafende That des schon früher erwähnten
Bischofs Benno von Meißen. Wilhelm habe nämlich das Domstift
zu Meißen ungebührlich durch Steuern und Auflagen gedrückt, und
umsonst habe ihn der Dompropst um Erlaß und Abhilfe gebeten. Da
habe letzterer sich an den heiligen Benno in inbrünstigem Gebete
gewandt. Und siehe da: dem Stifte fehlte die Hilfe seines Patrones nicht.
Benno erschien dem Markgrafen im Traume und ermahnte ihn, von
seinen Unbilden abzustehen. Leider hatte Wilhelm Räte, die ihm ein-
redeten, man brauche auf Träume nichts zu geben. Also fuhr der
übel beratene Fürst in seinen Bedrückungen fort. Da erschien ihm
der Heilige im Traum zum zweitenmale und brannte ihm mit einer
Fackel ein Auge aus. Als nun der Markgraf nach solcher unangenehmen
nächtlichen Erfahrung früh aufwachte und sich um den Besitz des einen
Auges gebracht sah, lenkte er mit Rücksicht auf den Besitz des anderen
klüglicherweise ein, ersetzte den Beraubten alle Schäden und that die
erforderliche Buße, ja er gab den armen bedrängten Domherren mehr,
als sie vorher besessen hatten. Die Geschichte ist ungemein erbaulich;
ebenso durchsichtig ist sie auch. Neben diesen Vorzügen hat sie auch
den, daß Wilhelm schon von Kindheit auf nur ein Auge hatte. —
Zahlreich sind auch die Sagen von dem in Träumen vorhergesehenen
Ende fürstlicher Persönlichkeiten oder von bösen Dingen, die dem Hause
widerfahren würden. So sah die zweite Gemahlin Heinrichs des
Erlauchten kurz vor ihrem Tode im Traume einen Engel vor sich
stehen, der ihr aus einem goldenen Becher einen Trank reichte. Aber
der Trank war bitter, und als sie sich darüber beklagte, tröstete sie
der Engel mit dem Hinweis darauf, daß der Becher des Sterbens
zwar bitter sei, aber dann komme eitel Süßigkeit in den Freuden des
Himmels. Nachdem sie diesen Traum ihrem Eheherrn erzählt, ist
sie auch bald selig entschlafen. Während die vorhergehende Sage vom
heiligen Benno durchaus tendenziös gefärbt ist, beweist sich in dieser
so recht liebenswürdig der fromme und poetische Sinn des mittel-
alterlichen Volkes.
Erst spät hat zur Hebung der allgemeinen Bildung die sich
immer weiter entfaltende Buchdruckerkunst das Ihbrige bei-
getragen, da in Thüringen und Meißen erst im letzten Fünftel des
Jahrhunderts Druckereien entstanden sind, nachdem sich 1462 in-