Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

Das ernestinische und albertinische Sachsen 
bis zum Wechsel der Kurwürde. 
Kaum ein anderes europäüsches Volk hat sich in verhältnismäßig 
kurzen Perioden in solchen politischen Gegensätzen bewegt wie das 
deutsche. Der überschuß an schaffenden, selbstherrlichen Kräften, viel- 
fach zu hohem, reichem Segen sich ausgestaltend, erwies sich doch in 
der Hauptsache, d. h. die Entwickelung des Reiches anlangend, als 
eine böse Morgengabe, die eine tückische Fee dem werdenden, nach 
Abschluß ringenden deutschen Volke allemal dann mitgab, wenn sonst 
alle Verhältnisse auf Einheit und Einheitlichkeit gebieterisch hinwiesen. 
In den Jahrzehnten und Jahrhunderten, da sich die meisten euro- 
päischen Mächte, insbesondere aber Frankreich, in wohl konsolidierten, 
dem Absolutismus sich nähernden Staatsverfassungen zusammenschlossen, 
zerfiel Deutschland erst recht in einzelne Herrengebiete, da sich weder 
die Fürstengewalten untereinander zu einigen verstanden, noch 
auch die geringste Lust verspürten, sich der kaiserlichen Gewalt unter- 
zuordnen. Das dynastische Aufstreben des Hauses Habsburg äußerte 
sich hierbei als Ursache und Wirkung; als Ursache, indem die Fürsten 
des Reiches, argwöhnisch diese Machtvermehrung beobachtend, alles 
thaten, um einerseits diese Machtentfaltung zu hindern, oder 
wenigstens meist nichts thaten, sie irgendwie zu unterstützen; als 
Wirkung, indem das Kaiserhaus sich auf die Verstärkung seiner Haus- 
macht aus den allerverschiedensten Gründen angewiesen sah und als 
Entgelt für die mangelnde Willigkeit der Reichsfürsten diese eben nur 
zum eigenen Nutzen, wo und wie es der Zufall eben gab, heranzu- 
ziehen verstand. Rücksichten des Anstandes oder ritterliche Denkungs- 
weise hinderten dabei das Erzhaus gar nicht, am allerwenigsten den
	        
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