Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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nationales Empfinden groß geworden, das öffentliche Interesse deckte 
sich mit dem privaten in der Bekämpfung dieser dauernden Aus- 
beutung durch eine offenbar entartete Kirche; darum hatte Luthers 
Vorgehen einen so ungeahnten Erfolg. Auch die weltliche Gewalt 
hatte sich schon veranlaßt gesehen, Stellung gegen den Ablaß zu nehmen. 
Biel hat Friedrichs des Weisen durchaus frommes Gemüt diese Frage 
beschäftigt, und in solcher Stimmung ward ihm ein Traum, den er in der 
Nacht zum 31. Oktober 1517 gehabt hat, und den er im Beisein seines 
Kanzlers Spalatin seinem Bruder Johann erzählte. Es sei ihm nach 
Mitternacht ein Mönch ehrbaren Angesichtes erschienen, der sich des 
Apostels Paulus natürlichen Sohn genannt habe, und mit ihm seien 
alle Heiligen erschienen, um für die Wahrhaftigkeit des Mönches Zeugnis 
zu legen. Der habe nun ihn, der sich damals auf dem Schlosse zu 
Schweinitz an der schwarzen Elster befand, um die Erlaubnis gebeten, 
etwas an seine Schloßkapelle zu Wittenberg schreiben zu dürfen, und 
habe nach erhaltener Genehmigung zu schreiben begonnen, so groß und 
so deutlich, daß es der Kurfürst zu Schweinitz lesen konnte. Der 
Mönch führte aber eine so lange Feder, daß sie mit ihrem Schaft bis 
nach Rom reichte und allda einem da liegenden Löwen nicht allein von 
einem Ohr zum andern stach, sondern sich sogar bis an die dreifache 
Krone des Papstes streckte und so hart daran stieß, daß diese zu wanken 
begann und ihm vom Haupt fallen wollte. Als nun der Kurfürst 
sie entrüstet aufhalten wollte, fühlte er sich von einer unsichtbaren 
Gewalt zurückgezogen, und als er erwachte, hatte er noch den Arm 
ausgestreckt, mit dem er den Mönch hatte hindern wollen. — Seine 
augenblickliche Stellung ließ er sich durch die Rücksicht auf die auch 
von ihm verabscheute finanzielle Ausbeutung seines Volkes vorschreiben, 
obwohl er, der als aufrichtiger Anhänger der alten Kirche für seine 
Allerheiligenkirche zu Wittenberg über 5000 Reliquien gesammelt und 
großen Ablaß für deren Besucher und Anbeter erwirkt hatte, bei 
Luthers Stellung zur Ablaßfrage für seine Erwerbungen allen Grund 
hatte, zu fürchten. Überdies aber war ihm Luthers wachsender Kuym 
für den Glanz seiner Universität wertvoll. 
Es war wunderbar, mit welcher Schnelligkeit Luthers Thesen 
sich über ganz Deutschland verbreiteten. Ein treuer Anhänger Luthers, 
Friedrich Myconius, der 1546 als Superintendent zu Gotha starb,
	        
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