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nationales Empfinden groß geworden, das öffentliche Interesse deckte
sich mit dem privaten in der Bekämpfung dieser dauernden Aus-
beutung durch eine offenbar entartete Kirche; darum hatte Luthers
Vorgehen einen so ungeahnten Erfolg. Auch die weltliche Gewalt
hatte sich schon veranlaßt gesehen, Stellung gegen den Ablaß zu nehmen.
Biel hat Friedrichs des Weisen durchaus frommes Gemüt diese Frage
beschäftigt, und in solcher Stimmung ward ihm ein Traum, den er in der
Nacht zum 31. Oktober 1517 gehabt hat, und den er im Beisein seines
Kanzlers Spalatin seinem Bruder Johann erzählte. Es sei ihm nach
Mitternacht ein Mönch ehrbaren Angesichtes erschienen, der sich des
Apostels Paulus natürlichen Sohn genannt habe, und mit ihm seien
alle Heiligen erschienen, um für die Wahrhaftigkeit des Mönches Zeugnis
zu legen. Der habe nun ihn, der sich damals auf dem Schlosse zu
Schweinitz an der schwarzen Elster befand, um die Erlaubnis gebeten,
etwas an seine Schloßkapelle zu Wittenberg schreiben zu dürfen, und
habe nach erhaltener Genehmigung zu schreiben begonnen, so groß und
so deutlich, daß es der Kurfürst zu Schweinitz lesen konnte. Der
Mönch führte aber eine so lange Feder, daß sie mit ihrem Schaft bis
nach Rom reichte und allda einem da liegenden Löwen nicht allein von
einem Ohr zum andern stach, sondern sich sogar bis an die dreifache
Krone des Papstes streckte und so hart daran stieß, daß diese zu wanken
begann und ihm vom Haupt fallen wollte. Als nun der Kurfürst
sie entrüstet aufhalten wollte, fühlte er sich von einer unsichtbaren
Gewalt zurückgezogen, und als er erwachte, hatte er noch den Arm
ausgestreckt, mit dem er den Mönch hatte hindern wollen. — Seine
augenblickliche Stellung ließ er sich durch die Rücksicht auf die auch
von ihm verabscheute finanzielle Ausbeutung seines Volkes vorschreiben,
obwohl er, der als aufrichtiger Anhänger der alten Kirche für seine
Allerheiligenkirche zu Wittenberg über 5000 Reliquien gesammelt und
großen Ablaß für deren Besucher und Anbeter erwirkt hatte, bei
Luthers Stellung zur Ablaßfrage für seine Erwerbungen allen Grund
hatte, zu fürchten. Überdies aber war ihm Luthers wachsender Kuym
für den Glanz seiner Universität wertvoll.
Es war wunderbar, mit welcher Schnelligkeit Luthers Thesen
sich über ganz Deutschland verbreiteten. Ein treuer Anhänger Luthers,
Friedrich Myconius, der 1546 als Superintendent zu Gotha starb,