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jenes eben zum Begriff der Pönitenz, der Bußauffassung im Tehelschen
Ablaßsinne herabgesunken war. Wie hätte sich Luther dadurch nicht
noch mehr von der Richtigkeit seiner Auffassung überzeugen sollen?
Fortan wartete er sehnsüchtig auf eine neue Bethätigung dieser
Gesinnung.
Schon aber waren auf dem politischen Gebiete die Würfel gefallen.
Der vorerwähnte Tod Maximilians I. am 12. Januar 1519 brachte,
da über die Frage der Nachfolge noch keine Entscheidung erzielt worden
war, zunächst wieder ein Interregnum, währenddessen die Reichs-
vikare ihres Amtes zu walten hatten, nicht ohne daß der Pfälzer dem
sächsischen Kurfürsten gegenüber wieder dieselben Anforderungen gestellt
hätte wie 1496. Doch kehrte sich Friedrich der Weise nicht daran,
sondern richtete, wie damals zu Altenburg, nun zu Wittenberg einen
Reichsvikariatsgerichtshof ein, der der Stadt und der Universität Ehre
brachte. Der Lutherischen Sache gegenüber that er nichts, als daß
er erst Cajetans und dann Miltitzens Winke über Auslieferung
Luthers unbeachtet ließ oder direkt ablehnte. Dafür erhielt er, wie
Miltitz taktloserweise durchblicken ließ, die goldene Rose nicht gleich
und verlor dadurch den Geschmack an derartigen päpstlichen Ehren-
gaben. Gerade aber das Gehenlassen der Dinge war unter den ob-
waltenden Umständen das Fördersamste für die Entwickelung der Lehre
Luthers. Aber, wie gesagt, die mit dem Tode Maximilians brennend
gewordene Frage der Nachfolge drängte zur Entscheidung. Sie war
vorbereitet durch die Fehde des schwäbischen Bundes mit dem gewalt-
thätigen und übermütigen Herzog Ulrich von Württemberg, der in Sild-
deutschland das Haupt der französischen Partei war. Die Furcht vor
der Umklammerung durch die Franzosen, falls Franz wirklich die
deutsche Kaiserkrone erwerben sollte, trieb die Schweizer aus dem Lager
ihres früheren Bundesgenossen, und anderseits brachte eine aufrichtig
gemeinte nationale Erregung wider Frankreich die Reichsritterschaft
längs des Rheines unter Franz von Sickingens Fährung in den
Sattel; auch die Reichsstädte waren dem Franzosen abhold. Für
seinen Gegenkandidaten war es ein Glück, daß man ihn nicht kannte;
ihm war günstig die Maximilian trotz aller Gegenbedenken reichlich
gewordene Popularität, die nach seinem Tode für den Enkel sich neu
belebte. In seinem Solde rückten Franz von Sickingen und Georg