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offenbar Luthern günstige Stellung zu bekannt und die öffentliche
Meinung doch im allgemeinen so für den wittenberger Professor ein-
genommen, daß es ein gar nicht wieder gut zu machender Fehler
gewesen wäre, hier mit der vom Papst und seinen Legaten Aleander
und Carracioli verlangten Energie und Strenge vorzugehen. Uberdies
war die Haltung des Kurfürsten in dieser Frage durchaus korrekt.
Er ging von dem Gedanken aus, daß Luther das Recht habe, vor
einem zuständigen Gericht seine Sache ordnungsmäßig zu führen, das
habe auch er, der Kurfürst, verlangt und zugesagt erhalten. Nun aber
habe man Luther ungehört verurteilt, und so sehe er es als seine Pflicht
als Landesherr an, sein Landeskind wider ungerechte Maßnahmen so
lange zu schützen, bis er rechtens prozessiert sei. So hatte er auch den
genannten päpstlichen Legaten geantwortet, als sie ihm zu Köln ein
päpstliches Schreiben und eine Abschrift der Bulle zustellten, und so
dem albertinischen Vetter Georg, als ihn dieser aufforderte, wider die
Schriften Luthers der Bannbulle gemäß einzuschreiten. Ein ihn in
seiner Überzeugung festigendes Urteil erhielt der feingebildete Fürst in
der Außerung des Erasmus von Rotterdam, mit dem er, ebenfalls
zu Köln, Anfang Dezember 1520 eine Unterredung hatte. Luther
habe, so meinte der berühmte Humanist ironisch, zwei große Verbrechen
begangen, er habe nämlich dem Papste nach der Krone und den
Mönchen an die Bäuche gegriffen; nur tadelte er die schon damals
oft genug hervortretende allzu heftige und grobe Art in Luthers
Polemik unter Hinweis auf den friedseligen Geist des Evangeliums.
Ferner konnte der Kurfürst in seiner Stellung nur bestärkt werden
durch das Erscheinen einer vom 3. Januar 1521 datierten zweiten
Bulle, in der Luther ohne weiteres verdammt wurde.
Mit der Forderung eines unparteiischen Gerichts war Kurfürst
Friedrich auch an den Kaifer getreten, und so hatte ihm der Koaiser
am 28. November 1520 den Befehl zugehen lassen, er solle den Mönch
auf den bevorstehenden Reichstag nach Worms mitbringen. Als er
jedoch von der Verbrennung der Bannbulle hörte, nahm er den Befehl
wieder zurück, weil er meinte, daß mit einem solchen Menschen über-
haupt nicht mehr verhandelt werden dürfe. Aber die Stimmung der
Stände, die zum wormser Reichstage am 28. Jannar 1521 zusammen-
traten, belehrte ihn eines anderen. Man bewilligte zwar die nötigen