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sein Ordensland zu einem weltlichen Fürstentume, wobei freilich auch
weltliche Rücksichten mitsprachen. Selbst der mainzer Erzbischof soll
mit folchen Gedanken umgegangen sein. Vor allem aber erstarkte
die lutherische Bewegung in den freien Reichsstädten. So vor allem
in Nürnberg, wo der ehrsame Hans Sachs in seiner schlichten, aber
vom innersten Herzen kommenden Art sein Lied sang und darin
pries „Die Wittembergisch nachtigall Die man yetz höret uberall“.
Wie Nürnberg ging auch Augsburg in Luthers Sinn reformatorisch
vor, ferner Ulm, Hall, Nördlingen, Reutlingen, Eßlingen, Ravensburg,
Konstanz, Straßburg im Süden, Husum, Bremen, Stralsund, Ham-
burg, Rostock, Danzig u. a. Vielfach war es der Rat, der sich zum
Meister der Bewegung machte, vielfach ging die Anregung von der
durch einzelne Prediger aufgestachelten Gemeinde aus. Zahlreich sind
die Beispiele, daß sich Frauen mit Begeisterung der neuen Lehre
annahmen. Argula von Stauffen, die Gemahlin des herzoglichen
Pflegers Friedrich von Grumbach, also eine hochangesehene Frau, unter-
nahm es, die Ingolstädter Professoren, die einen jungen Magister
wegen seiner Hinneigung zum Luthertum zum Widerruf genötigt und
dann in ein Kloster gesteckt hatten, auf Grund ihrer umfassenden
Schriftkenntnis eines Besseren zu belehren; auch schrieb sie an die
Räte von Ingolstadt, an den Herzog Wilhelm von Bayern, an Kurfürst
Friedrich von Sachsen. Auch an Luther machte sie sich 1525 und
rückte ihm sein Beharren beim Cölibat vor. Ursula Weyd ferner, Frau
des Schössers zu Eisenberg in Thüringen, ließ 1524 eine Streitschrift
gegen eine antilutherische Schrift des Abtes Simon von Pegau ergehen,
und die Gattin des straßburger Predigers Zell verfaßte eine Trostschrift
für ihre aus Kenzingen vertriebenen Mitschwestern. Dabei konnte es nicht
fehlen, daß auch fanatische Außerungen von Bekennern der neuen Lehre
vorkamen und dabei auch Frauen eine leitende Rolle spielten. In
Erfurt war der reformatorische Geist schon so weit anerkannt, daß ein
Mönch seinen Zuhörern raten durfte, sie sollten beim bloßen Hören des
Namens der katholischen Kirche, wie vor dem bösen Feinde, ein Kreuz
machen. Es ist bekannt, daß Luther durch feine leidenschaftliche und
ungebührlich grobe Art, mit der er gegen seine Widersacher, namentlich
gegen gekrönte Häupter, wie Heinrich VIII. von England oder Georg
von Sachsen, loszog, selbst dazu beitrug, die Leidenschaften zu erregen.