— 1109 —
sondern wie der gerade von ihm oft angezogene biblische Sauerteig,
weithin wirkte. Wer die Wirkungen auf die Leidenschaften zu ermessen
versteht, die heutzutage dieselben lediglich von einem rein egoistisch-
rationalistischen Standpunkte vorgetragenen kommunistischen Theorien
hervorbringen, der wird sich die Tragweite von Münzers Anschauungen,
gepaart mit seiner von ihm selbst geglaubten apokalyptischen Stellung,
einigermaßen vergegenwärtigen können. Da er ein Mann der That und
nicht des faulen Wortes war, so versäumte er nicht, gegen die Ab-
götterei des Bilderdienstes das Nötige zu predigen. In dem benach-
barten Mellerbach war eine
wunderthätige Kapelle. Die Ge-
meinde beschloß infolge einer
Predigt Münzers, die abgöttische
Sache zu zerstören. Den Klausner
warnte Münzer; so brauchte sich
die entsesselte Volkswut nur an
den toten Heiligenbildern zu be-
thätigen. Münzer selbst hielt sich
so im Hintergrunde, daß sein
Name bei der Verübung dieses
ganz groben Unfugs nicht einmal
genannt wurde. Aber auf seine
Fürsprache kamen die Haupt-
rädelsführer ohne Strafe davon.
In seiner Schrift an den Herzog Johann spielt „der Teufel von
Mellerbach“" und die Bitte, wegen eines Marienbildnisses sein Volk
nicht scheu zu machen, keine kleine Rolle.
Die beiden sächsischen Herzöge unternahmen es in ihrer Vor-
urteilslosigkeit, die uns heutzutage beinahe unglaublich erscheint, den
sonderbaren Mann persönlich zu hören. Sie kamen nach Schloß
Allstedt und durften da die ganze kommunistische Denk= und Predigt-
weise des Mannes ungeschminkt kennen lernen. Denn gemäßigt hat
sich auch vor solchen Zuhörern der von sich selbst hingenommene
Prophet sicher nicht, wenn er der Gemeinde die Gewalt des Schwertes
zuschrieb, wenn er behauptete, die Grundsuppe des Wuchers, der
Dieberei und der Räuberei seien die Herren, da sie alle Kreatur
Thomas Münzer.
(Nach Weisser, Bilderatlas.)