Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

— 1112 — 
Domherren und — Stallbuben rechnen wollen, verließ er das Schloß 
und kehrte nach Allstedt zurück. Aber auch da waren seine Tage 
gezählt. Herzog Georg forderte seine Auslieferung wegen der Auf- 
wiegelung der Sangerhäuser und that recht daran; ja er drohte, selbst 
einzuschreiten, wenn der Kurfürst nicht nach seiner Pflicht thäte. Fir 
die staatsrechtlichen Anschauungen der Zeit ist es charakteristisch, daß 
in einem solchen Falle ein unmittelbares Einschreiten der Staatsgewalt 
nicht möglich war, sondern daß erst kurfürstlicher Befehl an den Rat 
zu Allstedt ergehen mußte, dem Prediger Münzer nicht länger Aufent- 
halt in der Stadt gewähren zu wollen. Münzer versuchte den Neat, 
vor dem er in ritterlicher Rüstung erschien, nachdem er seine Mit- 
verschworenen bei Nacht versammelt hatte, für seine Sache zu erwärmen, 
fand aber zu seinem Leidwesen, daß die Natsherren „ihren Eid und 
Pflicht mehr achteten, denn Gottes Wort“ — eine Gegenüberstellung, 
die bemerkenswert ist —, und siedelte dann am 15. August 1524 
nach Mühlhausen über. 
In dieser Stadt, die schon öfter wegen ihrer Beziehungen zu den 
Wettinern und wegen ihrer Verfassungsstreitigkeiten erwähnt worden 
ist, war der Boden für Münzersche Lehrmeinungen genügend vorbereitet. 
Es hatte sich da im Jahre 1523 ein seinem Kloster entwichener Mönch, 
namens Heinrich Pfeiffer, der aus der Stadt stammte, mit großem 
Erfolge als Prediger des Evangeliums aufgethan, ein Mann, dessen 
Bedeutung schon daraus erhellt, daß einige in ihm den Verfasser 
der zwölf Artikel der Bauern erkennen wollen. Es ging dem Evan- 
gelium und seiner Predigt durch Pfeiffer hier genau so wie ander- 
wärts, d. h. mit den religiösen Interessen verbanden sich sofort po- 
litische und soziale. Auch Mühlhausen hatte den uns bekamten 
dreiteiligen Rat mit wechselnden Abteilungen, Selbstergänzung und 
Ratsverwandten, aus denen sich im Notfalle der Senat neu rekrutierte. 
Man sagt, daß es nur 96 Bürger gewesen seien, die in einer bolk- 
reichen und außerhalb der Mauern reich begüterten Gemeinde die un- 
bedingte Herrschaft gehabt hätten. Der regierende Stadtadel erkannte 
in Pfeiffers Predigt sofort das revolutionäre Element und blieb darum 
um so hartnäckiger an der alten Lehre hangen, wohingegen nun Pfeifser 
den anfangs eingehaltenen theologischen Boden verließ und auf das 
politische Gebiet übertrat. Er wiegelte bewußterweise die Bewohner
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.