Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. I. Band, 2. Abteilung. Von der Landesteilung von 1382 bis zum Übergange der Kurwürde an die Albertiner (1547). (2)

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Luthern hinderte in dem Aufbau der neuen Kirche derselbe ideale 
Zug, der ihm das politische Verständnis raubte. Er war wohl, wie 
ein Gelehrter unserer Tage geurteilt hat, fähig, eine Religion, aber 
keine Kirche zu gründen. Er hegte den Gedanken, die echten Christen 
in einer Art von Abendmahlsgemeinde nach dem Vorbilde der 
Urchristen zu vereinigen; an irgend welche zwingende Organisation 
dachte er zunächst noch nicht. Und doch drängten die Verhältnisse 
ganz von selbst darauf hin. Eigentlich kann man die wittenberger 
Unruhen von 1522 schon darauf zurückführen, daß die Anhänger der 
neuen Lehre sich gegensätzlich zum Alten einen Zusammenschluß bilden 
wollten. So kam es in Leisnig 1523 und zu Magdeburg 1524 zu 
Versuchen, unter gänzlicher Vermischung des Kirchlichen und Bürger- 
lichen ein neues kirchliches Gemeinwefen zu bilden, das von der 
Gemeinde bewilligte Einkünfte in dem „gemeinen Kasten“ vereinigte; 
aus diesem sollten Armenpflege und Unterricht bestritten werden, an 
der Spitze gewählte Vorstände stehen und das Ganze durch Ver- 
sammlungen der gesamten Gemeinde kontrolliert werden, also eine 
Einrichtung ganz modernen Charakters mit unverkennbarer Beimischung 
eines republikanischen Elementes. Aber man war noch nicht reif für 
solche Selbstverwaltung. Die in Leisnig und Magdeburg gemachten 
Versuche erwiesen sich als unzulänglich. Dann kam der Bauernkrieg 
dazu, der ja nicht etwa nur die ländliche, sondern auch die niedere 
städtische Benölkerung mit seinen sozialen Wogen erfaßte. So schien 
es auf keine Weise ratsam, durch kirchliche Neuerungen von unten auf 
die Sache des Evangeliums zu fördern, sondern nunmehr mußte die 
Staatsgewalt eingreifen, nicht zur Befriedigung Luthers. Wie eigen- 
tümlich hatte sich doch zwischen ihm und seinem Kurfürsten Friedrich 
das Verhältnis gestaltet! Man darf wohl sagen, daß die Haltung 
des weisen Einsiedlers von Lochau gegenüber gewissen Wandlungen 
Luthers geradezu bewundernswert gewesen ist. Denn Luther blieb 
weder bei seiner Ansicht vom Fernhalten der weltlichen Gewalt noch 
bei der anfänglich festgehaltenen Duldung der Altgläubigen; er wollte 
es nicht und konnte es nicht. Anfänglich hatte er wohl gemeint, man 
könne Abendmahl in einer Gestalt nehmen und Messen hören und halten. 
Aber dann fuhr er 1523 los gegen den Greuel der Stillmessen, und als 
die wittenbergischen Kanoniker sich auf den Kurfürsten beriefen, so ant-
	        
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