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Schulzwang nicht bestand und die Bauern nach gewohnter Art
schwerlich sehr willig waren, ihre Kinder von der häuslichen oder
von der Feldarbeit wegzuschicken und auch noch Geld dafür zu
bezahlen, so mußten jene Anweisungen durch zahlreiche Verord-
nungen am Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts
wieder in Erinnerung gebracht werden.
Geistiges Leben.
Indem wir auch einen raschen Blick auf das geistige Leben
werfen wollen, beginnen wir mit der Geschichtschreibung.
Der um 1455 zu Leipzig geborene Dr. Erasmus Stella oder
Stüler ließ sich 1497 in Zwickau nieder und wurde durch die
Gunst Friedrichs des Weisen 1501 dort Bürgermeister (. 1521).
Die Geschichte dieser Stadt, aber auch der meißnischen Lande
und des Reichs zog er in den Bereich seiner von Fabeln und
willkürlichen Erfindungen überreich durchwirkten Darstellung. Von
ihm rührt u. a. jene merkwürdige Kunde her (s. B. I. 2, 1012),
daß das Grabgedicht auf den Landgrafen Dietzmann in der Pau-
linerkirche zu Leipzig von Dante verfaßt sei. Wenn es ihm darauf
ankam, fälschte er auch Urkunden. Aber für seine Zeit war er
eine angesehene Autorität, an den sich u. a. sein Freund Paul
Lange, der Bosauer Mönch (Zeitzer Chronik, f 1536), und der
von Melanchthon geförderte Bürgermeister Brotuff in ihren Ar-
beiten anlehnten. Melanchthon selbst fand mehrfach Gelegen-
heit, über die Geschichte seines Vaterlandes zu schreiben. Spala-
tin ferner gab eine zuverlässige genealogische Darstellung des
wettinischen Hauses; außerdem ist er als der Biograph Friedrichs
des Weisen und Johannes des Beständigen bekannt. In Witten-
berg schrieb ferner der aus Bietigheim i. Wül. gebürtige Johannes
Carion sein Chronikon, das nach der üblichen Behandlung der
vier Weltmonarchien in drei Büchern bis auf seine Zeit herab-
führt; es zeichnet sich durch kritisches Urteil, vaterländischen Sinn
und gutes Deutsch aus. Auf Veranlassung des Kurfürsten August
führte Peucer das Werk in einem 4. und 5. Buche bis zu
seiner Zeit weiter. Zeitgenössisch sind auch die Aufzeichnungen
des vertrauten Sekretärs Heinrichs des Frommen Bernhard Freh-