Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 1. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1500 bis 1815. (3)

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nicht an die höheren Stände wagte. Immerhin lernt man auch 
durch ihn die Unwissenheit und Roheit des Adels und die vielen 
kriechenden und charakterlosen Typen aus der Geistlichkeit kennen. 
Können wir auch Klopstock (1724—1803) nur insofern den 
uns rigen nennen, als er seine Vorbildung dem damals noch säch- 
sischen Schulpforta verdankte, so gehört uns um so mehr der 
nach ihm kommende größere an: Gotthold Ephraim Lessing, 
geb. 22. Jan. 1729 zu Kamenz, gest. 15. Febr. 1781 zu Braun- 
schweig. Seinc literarische Bedeutung gehört nicht hierher, um 
so mehr der Hinweis darauf, wie sehr er in Sachsen mit seiner 
ganzen Entwickelung wurzelte. Dem echt evangelischen Pfarr- 
hause seines Vaters verdankte er eine tüchtige Erziehung und Vor- 
schulung, der Meißner Fürstenschule die gediegene klassische Durch- 
bildung, die ihn dann zum Fürsten der deutschen Kritiker werden 
ließ; auch der Dichter regte sich schon und fand hier verständnis- 
volles Entgegenkommen. Bereits am 8. Juni 1746 wurde er als 
reif zur Universität entlassen, um Theologie zu studieren. Aber 
er begnügte sich, das Rüstzeug gegen eine engberzige Orthodoxie 
sich anzueignen, und lernte von Ernesti und Christ in gründlichster 
Weise, das Altertum verstehen. Unter der Leitung des geist- 
vollen Mathematikers und Epigrammatisten Abraham Gotthelf 
Kästner, eines Leipziger Kindes (geb. 1719, gest. 1800 zu 
Göttingen) übte er sich mit Christlob Mylius, den Gebrüdern 
Johann Heinrich und Johann Adolf Schlegel, mit Zachariä, dem 
Verfasser des „Renommisten“, im Disputieren und errang so 
jene schlagfertige Dialektik, die wir jederzeit an ihm bewundern. 
Gellerts Weinerlichkeit mochte er ebensowenig wie später Gothe; 
selbstverständlich erkannte er die Schwächen und Arroganz Gott- 
scheds. Eng schloß er sich an den drei Jahre älteren Christian 
Felir Weiße aus Annaberg an; mit ihm wurden neusprachliche 
Studien, namentlich Englisch, getrieben, Shakespeare kennen ge- 
lernt. Hierzu kam der regelmäßige Besuch des Theaters der 
Neuberin. So wurden hier die Keime entwickelt, aus denen 
Nathan der Weise, Minna von Barnhelm und die Hamburger 
Dramaturgie emporwuchsen. — 
Als neuer Faktor im geistigen Leben tritt im 18. Jahr-
	        
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