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Schon aber war man von Wien aus, noch ehe Zinzendorf
jene Unterredung mit Bischoffswerder gehabt hatte, den preußi-
schen Absichten in sehr geschickter Weise zuvorgekommen. Am
21. Jan. 1790 überreichte nämlich als außerordentlicher Gesandter
des Kaisers Josef II. Graf Hartig einen eigenhändigen Brief
von diesem, der nur in allgemeinen Ausdrücken von der kri-
tischen Lage, in sehr verbindlicher Weise aber von der Gerechtig-
keit, Billigkeit und politischen Voraussicht des Kurfürsten sprach,
sonst aber auf die mündlichen Eröffnungen des Gesandten ver-
wies. Dieser zählte nun alle die feindseligen Handlungen Preu-
ßens gegen Osterreich auf, die dieses zwängen, sich mit Aufgebot
aller Kräfte gegen solche ungerechten Angriffe zu wehren. So
wertvoll nun auch für den Kaiser die Bundesgenossenschaft Sach-
sens sein würde, so denke er doch zu zart, um den Kurfürsten
in solche Gefahren hineinzureißen. Deshalb biete der Kaiser dem
Kurfürsten nur eine vollständige und strikte Neutralität an; deren
Abschluß müsse aber so schnell als möglich erfolgen, damit nicht
etwa Preußen in der Zwischenzeit unter Mißachtung der säch-
sischen Neutralität den Durchmarsch seiner Truppen erzwinge.
Wenn der Kurfürst wünsche, so wolle der Kaiser über den ge-
schlossenen Vertrag tiefstes Geheimnis beobachten, stelle es ihm
aber auch anheim, den preußischen Hof vorläufig in Kenntnis
zu setzen und sich eine gleiche Konvention von Preußen zu sichern.
Was der damals schon zum Tode erkrankte Kaiser schrieb
und mündlich ausrichten ließ, war dem Kurfürsten und seinen
Beratern wie auf den Leib geschnitten. Der mit den Verhand-
lungen beauftragte Kabinettsminister Graf Loß gab darum
auch dem Grafen Hartig eine völlig zustimmende Erklärung, meinte
aber doch, daß die sächsische Regierung erst den Berliner Hof
in Kenntnis setzen müsse. Dabei bleibt es freilich merkwürdig, daß
ein im diplomatischen Dienste und in der Politik doch nicht un-
erfahrener Mann, wie Graf Loß, unter den obwaltenden Um-
ständen die Bedeutung der Neutralitätsabmachung nicht erkannt
haben sollte. Jedenfalls kam ihm hier auf die Mitteilung von
dem Geschehenen hin Hertzberg mit energischer Klarheit zu Hilfe.
Mündlich und schriftlich machte er sowohl Zinzendorf darauf auf-