Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 1. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1500 bis 1815. (3)

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wie Preußen, seit Monaten kriegsbereit, nicht den Mut fand, 
dem hartbedrängten Österreich die Anerkennung des Fürsten- 
bundes abzutrotzen. So löste sich dieser ganz von selbst auf und 
die katholischen Fürsten scharten sich wieder um das erstarkende 
OÖsterreich, zu dem nun auch Sachsen die früheren Beziehungen 
mit voller Berechtigung meinte aufnehmen zu dürfen. Doch lehnte 
in anerkennenswertem Taktgefühle der Kurfürst den ihm von Leo- 
pold zugedachten hohen Orden vom Goldenen Vließ durch dis- 
krete Vermittelung seines Gesandten in Wien, des Grafen Schön- 
feld, zunächst ab. 
Der Tod Josefs II. hatte die Ausübung des Reichsvikariats 
notwendig gemacht, in das sich nach altem Gebrauche Kursachsen und 
Kurbayern teilten. Die auch jetzt, wie dann 1792 aufs neue ent- 
stehenden Kompetenzstreitigkeiten dürfen ihrer jämmerlichen Nich- 
tigkeit wegen übergangen werden. Erwähnt mag nebenbei sein, 
daß in Frankfurt, da es noch zu den Ländern des Sachsenspiegels 
gehörte, der Kurfürst als Reichsvikar für die Zeit der Wahl- 
verhandlungen die herkömmliche „Polizey= und Taxordnung“ 
erließ, wonach männiglich sich friedlich und bescheidentlich zu ge- 
baren, des Rumors, Schlägerei und Auflauf zu enthalten, an 
gefährlichen Orten nicht Toback zu rauchen, die Domestiquen nicht 
Degen und Stöcke tragen zu lassen usw. — Am 30. Sept. 1790 
erfolgte anstandslos die Wahl des neuen Kaisers Leopold II.; 
am 9. Okt. 1790 wurde die Krönungsfeier zu Frankfurt mit 
dem üblichen Pompe begangen. 
Während nun aber in Frankfurt sich dieses halb. ehrwürdige, 
halb lächerliche Stück Mittelalter abspielte, war man im Lande 
jenseits der Vogesen seit einundeinhalb Jahren mit der Beseitigung 
des Mittelalters beschäftigt. Der Eindruck, den die Ereig- 
nisse der Jahre 1789 und 1790 auf Deutschland, speziell auf 
Sachsen machten, läßt sich im allgemeinen dahin charakteri- 
sieren, daß die Gebildeten des Mittelstandes in der Mehrzahl diese 
Morgenröte der Freiheit mit Genugtuung begrüßten; aber auch 
in höheren Kreisen sah man nicht überall mit feindseligen Blicken 
auf die Ausgestaltung einer konstitutionellen Verfassung. Ein 
Umschlag in der Gesinnung bahnte sich erst an, als man von
	        
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