Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 1. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1500 bis 1815. (3)

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durch eine in sich uneinige Zensurbehörde gestört wurde. Vor 
deren einem Mitgliede fand z. B. das Gellertsche Lied keine Gnade: 
„Wenn ich, o Schöpfer deine Macht,“ weil darin nichts von der 
Gotteskindschaft des Christenmenschen enthalten sei, während er 
an „Wer nur den lieben Gott läßt walten“ und an „Was Gott 
tut, das ist wohlgetan“ keinen Anstoß nahm, in denen nach dem 
Gutachten eines anderen Mitgliedes ebensowenig von der ver- 
mißten Gotteskindschaft die Rede war. So zog sich die Veröffent- 
lichung, die dann niemandem recht genügte, bis zum Jahre 1796 hin. 
Und während sich so Freigeisterei auf der einen Seite und 
frommer Buchstabenglauben auf der anderen Seite gegenüberstanden, 
blühte noch ein drittes, von beiden Seiten Unterstütztes empor, 
der Spiritismus, das Geisterzitieren. Das Zeitalter des berühmten 
Beppo Balsamo, alias Grafen Cagliostra, brachte auch einen an- 
deren mit der Geisterwelt eng liierten Adepten nach Dresden zu 
mehrfachem Aufenthalt während der Jahre 1770—1780, den 
Grafen von Saint Germain, der neben anderem Wunderbaren 
auch das Geheimnis des Lebenselixiers besaß; er hatte durch dieses 
ausgezeichnete Mittel schon über 400 Jahre gelebt; sein Kutscher 
konnte den Dresdenern jedenfalls versichern, daß in den 130 Jah- 
ren, die er in den Diensten des Grafen stehe, dieser immer so 
ausgesehen habe, wie gerade jetzt. Aber dies Zeitalter der Auf- 
klärung erweckte auch einen sächsischen Spezial-Thaumaturgen in 
der Person Joh. Georg Schrepfers, der, geboren um 1730, ein 
Nürnberger Kind, nach mancherlei Abentenern als junger Mann 
von etwa 29 Jahren nach Leipzig kam, Kellnerdienste verrichtete 
und als dienender Bruder in die Loge aufgenommen wurde. Seit 
1761 war er als „Weinschänk“ Leipziger Bürger, und zwar führte 
er eine Weinstube im Böttchergäßchen, die er dann 1769 mit 
der beliebten Weißlederschen Kaffeewirtschaft in der Klostergasse 
vertauschte. Hier sammelte er, der schon seit einiger Zeit zu den 
Leipziger Logen in Opposition getreten war, seine Anhänger um 
sich. In seinem Kaffeehause bildete er eine Loge feiner Richtung, 
in die auch Frauen ausgenommen werden durften, und polemi- 
sierte in einer Weise gegen die anderen Logen, daß er sogar mit 
den Gerichten zu tun bekam; auch beleidigte er in diesen An- 
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