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der Übertritt Verdienst, in wenigen Wochen ist er es nicht mehr,
und wir stehen in der Geschichte wie Johann Georg I. im
Dreißigjährigen Kriege. Frankreich gegenüber haben wir genug
verbrochen, um des Todes würdig zu sein, und übergeben wir
uns ihm, so ist Knechtschaft unser unvermeidliches Los.“ Er
schilderte dann die Stimmung im Lande, wie sich schon allent-
halben junge Leute an die Verbündeten anschlössen und Frei-
kompagnien von den Städten gestellt würden, die nur auf den
Wink des Königs harrten; er wies darauf hin, daß Kutusow un-
möglich eine so starke Festung wie Torgau im Rücken ohne bin-
dende Erklärung lassen könnte und schloß: „Ich beschwöre Ew.
Exzellenz sich hierher nach Sachsen zu versetzen und reiflich zu
erwägen, ob ich das Instrument sein soll, welches mit dem Fluche
Deutschlands der Vorwurf zu treffen hat, die militärischen Opera-
tionen gehindert zu haben!“ . . Es war verlorene Liebesmühe,
denn in ihrem Asyle in Regensburg ließen sich Leute wie Senfft
und Langenau doch wesentlich nur durch ihre Angst vor Preußen
oder vor Napoleon bestimmen.
Inzwischen hatte General Kleist, den Thielmann mit Plänen
von Wittenberg versorgt hatte, am 17. April früh 3 Uhr einen
allerdings vergeblichen Sturm auf die von dem General Lapoype
verteidigte Festung gemacht. Thielmann ließ nun zur Unter-
stützung einer längeren Belagerung heimlich schweres Geschütz auf
Kähnen in Torgau bereit halten. Am 21. oder 22. April er-
schien General Kleist persönlich, der die Zusendung des schweren
Geschützes erbat. Schon war Thielmann im Begriff, dem Folge
zu geben, als in der Nacht vom 22. zum 23. April Schleinitz aus
Regensburg zurückkehrte. Er überbrachte eine Fülle der wich-
tigsten Nachrichten. Zunächst ein königliches Handschreiben vom
19. April: „Infolge des mit Sr. Majestät dem Kaiser von OÖster-
reich getroffenen Einverständnisses werde ich morgen Regensburg
verlassen, um mich über Linz nach Prag zu begeben. Mein
Wille ist dabei, daß die Unabhängigkeit der Festung Torgau mit
dem größten Ernst behauptet und gegen jedermann erklärt werde,
daß die Festung nur auf meinen Befehl im Einverständnis mit
dem Kaiser von Österreich geöffret werden kann. Indem Sie