— 90 —
hausversammlungen verbot, war ganz vernünftig, daß man aber
auf Grund der Bundesbeschlüsse von 1833 überhaupt alle Volks-
versammlungen untersagte, ging wieder zu weit, da damit auch
außerhalb Leipzigs im ganzen Lande eine unverdiente Strenge
gezeigt wurde. Auch sollten alle Kundgebungen der Presse über
den Fall inhibiert werden. Man erreichte damit nur, daß allent-
halben eine unklare Mißstimmung und Unzufriedenheit genährt,
und daß die Bevölkerung von einer stillgrimmigen Abneigung
gegen die Garnisonen erfüllt wurde, wie sich das u. a. in Frei-
berg bei den Reibungen zwischen Akademikern und dortigen Ka-
vallerieoffizieren (Dzembinski kontra Wolffersdorff) bemerklich
machte. — Es war vorauszusehen, daß die Leipziger Vorgänge
auf dem am 14. Sept. 1845 eröffneten Landtage eine große Rolle
spielen würden, namentlich da gewaltige Petitionen vorlagen, die
von Rob. Blum und dem Professor Biedermann ins Werk gesetzt
worden waren. Da geschah etwas Unerwartetes. Die zweite
Kammer hatte zur genauen Kenntnisnahme des Falles eine Depu-
tation niedergesetzt, die sich ein halbes Jahr zur Aufschichtung des
Materials Zeit nahm, um dann kurz vor Schluß das Landtags
der Kammer zu empfehlen, die am weitesten gehende Beschwerde
des Professors Biedermann auf sich beruhen zu lassen. Die Zeit hatte
ihren lindernden Einfluß ausgeübt, so manche Übergriffe und
Ausschreitungen der Linksliberalen hatten manchen kühler gemacht,
und so ergab sich für den Deputationsantrag Stimmengleich-
heit, bei nochmaliger Abstimmung blieb er mit einer Stimme
in der Minorität; aber der Gegenantrag, die Beschwerde an die
Regierung weiterzugeben, erhielt ebenfalls, und zwar auch nur
mit einer Stimme, Abweisung, so daß nun das Votum der ersten
Kammer ausschlaggebend wurde, die natürlich dem Deputations-
vorschlage beitrat. So verlief die Sache im Sande.
Bei solcher hohen Spannung der öffentlichen Meinung war
die Haltung der Presse und ihre Behandlung durch die Regierung
von hoher Bedeutung. Der die Presse und den Buchhandel be-
treffende § 35 der sächsischen Verfassung lautete: „Die An-
gelegenheiten der Presse und des Buchhandels werden durch ein
Gesetz geordnet werden, welches die Freiheit derselben, unter Be-