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Zunächst aber brach nicht nur über Sachsen, sondern über
ganz Deutschland in den Jahren 1846 und 1847 infolge von
Mißernten eine schwere Teuerungszeit herein, in dieser Zeit innerer
Gärung und Unzufriedenheit nur zu sehr geeignet, die Gemüter
mit finsteren Leidenschaften zu erfüllen. Schon 1842 war zu
geschäftlicher Stockung eine Mißernte und eine Kartoffelkrankheit
gekommen, große Brände hatten Oschatz, Sayda und Adorf in
Asche gelegt. Aber der Mißwachs war nicht so allgemein ge-
wesen und das folgende Jahr hatte den Schaden einigermaßen
wieder gut gemacht. Diesmal war der Notstand ein fast all-
gemein deutscher und währte zwei Jahre. Der Bund erwies
sich wie in den Notjahren 1816 und 1817 völlig unzulänglich; aber
auch der Zollverein zeigte sich nicht auf der Höhe; er überließ
es den einzelnen Mitgliedern, für sich selbst zu sorgen. Nur
gewährte er bis 30. Sept. 1847 für Getreide, Hülsenfrüchte und
Mehl zollfreie Einfuhr, die freilich zum Teil dadurch illusorisch
wurde, daß Osterreich in der ihm eigenen Bundesfreundlichkeit
die Ausfuhr von Getreide nach Deutschland verbot. Für Sachsen
wurde der Notstand doppelt empfindlich, da es schon in gewöhn-
lichen Jahren für seine damals 1836664 Seelen zählende Be-
völkerung einer Einfuhr von etwa 1 Million Scheffeln bedurfte.
Zudem war auch diesmal die Kartoffelernte schlecht ausgefallen
und geschäftlicher Stillstand drückte auf die Löhne. Da zeigte
sich pon allen deutschen Regierungen die sächsische den drin-
genden Anforderungen der Lage am meisten gewachsen. Sie
ermäßigte die Frachtsätze für Getreide und Lebensmittel auf den
Eisenbahnen, führte aus Staatsmitteln Getreide herzu, erleichterte
den Bäckern die durch Zunftzwang und Brottaxe eingeschränkte
Freiheit des Betriebes, sorgte vor allem durch Straßenbauten
und andere öffentliche Arbeiten für Verdienst; auch belehrte sie,
was besonders verdienstlich und segensreich war, die weiteren
Kreise des Publikums, die in Unwissenheit befangen von dem
Märchen des Brotwuchers sich aufreizen ließen, durch Flugblätter
und Bekanntmachungen über die wahren Ursachen der Teuerung
und des Mangels. Immerhin stieg auch in Sachsen im Juni
1847 der Scheffel Roggen auf 9½ Taler. Die Regierung berief