Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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sich viel energischer ausgestaltet hatten. Dabei konnte man in 
Sachsen wie auch anderwärts die Bemerkung machen, daß die 
Regierung ziemlich ratlos die Ereignisse an sich herankommen, 
ja sich über den Kopf wachsen ließ, während die liberalen, vor 
allem die linksliberalen Elemente der Bevölkerung, zielbewußt 
ihre Stunde gekommen glaubten. Das galt in erster Linie von 
Leipzig. Blum führte in der Stadtverordnetenversammlung das 
große Wort und diese beschloß in einer außerordentlichen Sitzung 
am 1. März, dem Könige eine Adresse zu überreichen, in der 
um Preßfreiheit, Reform der Bundesverfassung und Vertretung 
des deutschen Volkes am Bundestage gebeten werden sollte. Es 
waren das zum Teil Gedanken, die schon in der letzten Hälfte 
des Vorjahres in Versammlungen süddeutscher Männer zu Offen- 
burg und Heppenheim ausgesprochen worden waren. Tatsächlich 
begab sich nun auch am 2. März eine vom Stadtrat und den 
Stadtverordneten gebildete Deputation zur Mitteilung dieser 
Wünsche nach Dresden. Aber der König zeigte wenig Entgegen- 
kommen, betonte vielmehr mit Recht, daß mit solchen Vorschlägen 
die Leipziger den ihnen zuständigen Kreis überschritten hätten. 
Dieser Bescheid erregte natürlich den Unmut der unter Blums 
Leitung versammelten Bürger, die nun mit Beifall dessen Vor- 
schlag annahmen, daß man den König von der Stimmung des 
Volkes genauer unterrichten und von ihm die Entlassung der 
Minister fordern müsse. In diesem Sinne äußerte sich eine zweite 
und am 5. März eine dritte Deputation an den König mit eben 
diesem Erfolge, obgleich sich nunmehr der Leipziger Rat und die 
Universität angeschlossen hatten. Dresden folgte jedoch dieser 
Kundgebung vom 5. März nicht, und das Ministerium, in 
dem Glauben, in der Meinung der Hauptstadt die allgemeine 
öffentliche Meinung vor sich zu haben, ließ sich dadurch zum 
starren Festhalten des nun einmal eingenommenen Standpunktes 
verleiten. Immerhin gab von Falkenstein, der das Ministerium 
des Innern vertrat, seine Stellung auf, um, wie er sagte, keinen 
Vorwand für weitere Unordnungen und Demonstrationen zu geben. 
Ein Erlaß des Königs vom 6. März verhieß die Berufung der 
Stände spätestens bis Mitte Mai und die Vorlage eines Preß-
	        
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