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tretung der wirklichen Stimmung in Sachsen entsprach, dürfte
zu bezweifeln sein. Und doch kamen auch bei den Wahlen zum
Landtage, der auf den 18. Mai einberufen wurde, dieselben
Resultate zum Vorschein, namentlich da diesmal jede Beeinflussung
behördlicherseits unterblieben war.
Am 18. Mai 1848 trat in der Paulskirche zu Frankfurt
a. M. das erste deutsche Parlament zusammen, von dessen gesetz-
geberischer Tätigkeit die Zukunft Deutschlands abhängen sollte.
Wie viele Hoffnungen und Erwartungen begleiteten die aus allen
Teilen Deutschlands nach der alten Reichsstadt ziehenden Ver-
treter, die zuletzt 586 zählten! Und wie weniges von diesen Hoff-
nungen und Erwartungen ging in Erfüllung! Für Sachsen war
es beschämend, daß sich seine Vertreter weniger durch staats-
männischen Blick und große Gesichtspunkte, als durch liberal-
doktrinäre Verbissenheit auszeichneten. Bei ihnen kam der
in den letzten Jahren der Reaktion angesammelte Groll
zum Ausbruche. Eine Ausnahme machte der Leipziger Bieder-
mann, der noch der gemäßigten Linken angehörte, während sich
Blum zur fortgeschrittneren Linken hielt, auf deren äußerstem
linken Flügel sich der Dresdener Schaffrath ebensosehr durch
seinen wüsten Demokratismus, als durch seinen Partikularismus
hervortat. Als Organ der Linken figurierte die von Robert Blum
herausgegebene Reichstagszeitung. Blum hatte übrigens schon
in dem vom Vorparlamente eingesetzten Fünfziger-Ausschusse eine
Rolle gespielt. Hier hatte er den von Friedrich Wilhelm IV.
angeordneten, allerdings etwas sonderbaren Wahlmodus für das
Frankfurter Parlament getadelt und den Erfolg gehabt, daß ein
anderes Verfahren eingeschlagen wurde. Aber das Mißtrauen war
zurückgeblieben und äußerte sich in der von Blum im Parlamente
aufgestellten Behauptung, die preußische Regierung habe den an-
deren Regierungen als bestes Mittel zur Lahmlegung der National-
versammlung die gleichzeitige Einberufung der eigenen Landtage
empfohlen. Der Protest des preußischen Ministeriums gegen diese
Behauptung veranlaßte Schaffrath zu der ganz charakteristischen
Bemerkung: es sei unwürdig, für die Aussage eines solchen Volks-
mannes wie Blum gegenüber der eines bloßen Ministers noch