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titionsrecht, Gleichheit vor dem Gesetze, Garantie des Eigentums,
Glaubens= und Gewissensfreiheit, Freiheit der Wissenschaft usw.
Während nun also die Kammern sich gegen die monarchische Aus-
gestaltung des Reiches wütend sträubten, fanden sie es doch für an-
gezeigt, die Grundrechte dringend zur Publizierung zu empfehlen,
obwohl es doch jedem einigermaßen Einsichtigen klar sein mußte,
daß die Reichsverfassung ein Ganzes sei und man nicht das eine
annehmen und das andere beiseite schieben könnte. Am 14. Febr.
verlangte die zweite Kammer die sofortige Publikation der Grund-
rechte. Das Ministerium zögerte noch über eine Woche, nahm
dann aber die Gelegenheit zu einem günstigen Rückzuge wahr
und erklärte am 24. Febr., als eben die erste Kammer in die
Beratung der Grundrechte eintrat, daß es in der Erkenntnis,
das Vertrauen der Kammern nicht mehr zu besitzen, wie das
die letzten Abstimmungen ergeben hätten, seinen Abschied beim
Könige eingereicht und erhalten habe.
Die Verblüffung in beiden Kammern versteckte sich hinter
abfälligen Bemerkungen, wie „Kulissenblitze“ und „alberne kon-
stitutionelle Gewohnheiten“, während man selbst ja immer kon-
stitutionell bis ins innerste Mark zu sein sich rühmte, war aber
noch mehr verblüfft, als noch in derselben Sitzung die Namen
der neuen Minister bekannt wurden, von denen auch nicht ein
einziger mit der Volksbewegung in Fühlung gestanden hatte;
die Regierung hatte also bei der Neubildung des Ministeriums
die Koryphäen der Kammer völlig ignoriert. An der Spitze des
neuen Ministeriums stand als Präsident der Oberappellationsrat
Dr. Held, ein tüchtiger Jurist, das Innere erhielt der Geh. Re-
gierungsrat Weinlig, ebenfalls ein begabter und gewissenhafter
Beamter; von Zeschau, dem früheren Finanzminister, war hoch-
geschätzt worden der Geh. Finanzrat von Ehrenstein, der das
Ressort der Finanzen übernahm, einige Tage später trat Raben-
horst, ein ausgezeichneter Artillerieoffizier, der bislang in Frank-
furt zu tun gehabt hatte, als Kriegsminister ein. Die bedeutendste
Rolle war jedoch dem Minister des Außeren, Ferdinand von
Beust, zugedacht, den der König von seinem Gesandtschaftsposten
in Berlin berufen hatte.