Object: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

DER ERBE DER CÄSAREN 615 
der Kaiser gewissermaßen als Erbe der römischen Cäsaren zu begründen 
unternommen habe, nach Meiner Überzeugung nunmehr in der Person des 
vor Mir sitzenden Pontifex verkörpert und fortgesetzt sei, allein in noch 
viel großartigerer Weise in geistlicher Beziehung. Ich sähe in dem Papst 
das Haupt des großen christlichen Weltimperiums, welches die Fortsetzung 
des alten Römischen Imperiums sei. In allen Weltteilen huldigten Millionen 
ihm als ihrem Oberhaupt. Daher sei er, Leo XIII., der Imperator Imperii 
Romani und als Erbe der römischen Cäsaren anzusehen. Der Papst richtete 
sich in seinem Stuhle hoch auf, sah Mich eine Weile mit erstaunten Blicken 
an, und nach einer kleinen Pause fügte er mit dankbar leuchtenden Augen 
hinzu: ‚Eh bien, ce n’est pas mal cela, et, peut-£tre, Vous avez raison.‘ 
Wilhelm I. R.“ 
So weit das kaiserliche Diktat über diese denk- und merkwürdige Unter- 
redung zwischen dem Oberhaupt des Deutschen Reiches und dem Pontifex 
Maximus. Als Nachschrift hatte der Kaiser eigenhändig hinzugefügt: „Der 
Papst hat Seine Majestät auch gefragt, wie es mit dem Ausbau der Flotte 
stünde, und wie sehr er hoffte, daß Er eine starke und mächtige Flotte zum 
Schutze des Friedens und der deutschen kulturellen Interessen bekommen 
werde.“ 
Als Erinnerung an den Besuch des Kaisers übersandte mir Leo XIII. die 
fünfundzwanzig aus der für ihre hohe Kunstfertigkeit altberühmten 
päpstlichen Münze hervorgegangenen goldenen Medaillen, die vom ersten 
Jahre seines Pontifikats bis zum Jubiläumsjahr geprägt worden waren und 
deren jede der Tradition der Kurie gemäß einen besonders denkwürdigen 
kirchlichen oder politischen Akt des Papstes verewigte. Eine künstlerisch 
sehr wertvolle und mir teure Gabe. Die Huld des Papstes erstreckte sich 
auch auf die Dienerschaft des Kaisers und sein Gefolge, ein schöner Beweis 
für die humane Gesinnung des Pontifex. Die Unterbeamten der drei 
kaiserlichen Kabinette, der Leibdienst Seiner Majestät, die Leibgendarmen, 
die Kanzleidiener und persönlichen Diener, im ganzen etwa sechzig Per- 
sonen, wurden von Seiner Heiligkeit in besonderer Audienz empfangen. 
Leo XIII., der die Eintretenden unter einem roten Baldachin erwartete, 
frug, ob einer der Erschienenen Italienisch verstünde. Alles verstummte, 
nur mein italienischer langjähriger Kammerdiener Augusto trat mit 
italienischer Desinvoltura vor, erklärte, daß er in Valmontone in den Sa- 
binerbergen geboren sei und als Dolmetscher dienen wolle. Der Papst frug 
leise, ob die zur Audienz Erschienenen Katholiken oder Protestanten 
wären. Augusto entgegnete: „Santo Padre, sono tutti heretici, ma non 
sono cattivi, anzi bravissima gente.‘‘ Der Papst reichte darauf allen An- 
wesenden die Hand. Sein besonderes Interesse erregten zwei Unteroffiziere 
der Gardeducorps, die ihn durch ihre echt deutsche Erscheinung und 
Audienz für 
das Gefolge
	        
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