— 191 —
rufen worden war, das neue Wahlgesetz gelangte nicht zur An-
nahme. Es war ein solches, wie erwähnt, schon für den auf-
gelösten Landtag von Friesen in entgegenkommend liberalem
Sinne entworfen, aber nicht mehr zur Vorlage gebracht worden.
Die veränderten Umstände bedingten einen anderen Entwurf, der
jedoch immerhin noch so wenig reaktionär war, daß er in allen
wesentlichen Punkten 18 Jahre später der 1868 durchgeführten
Wahlreform zugrunde gelegt werden konnte. Nach dem nun-
mehr vorgelegten Entwurfe sollte die erste Kammer im wesent-
lichen ihre bisherige Gestalt behalten mit zwei Ausnahmen gering-
fügiger Natur: das Ernennungsrecht des Königs nämlich wurde
von 10 auf 12 Mitglieder ausgedehnt, und an die Stelle von
12 Vertretern der Rittergüter sollten 15 Vertreter des größeren länd-
lichen Grundbesitzes kommen, für die als Mindestwert 3000 Steuer-
einheiten angenommen werden sollten. Dagegen war die für die
zweite Kammer geplante Anderung viel tiefer greifend. Das
Prinzip der ständischen Vertretung — bekanntlich bestand die zweite
Kammer aus 20 Vertretern der Rittergutsbesitzer, je 25 der Städte
und der Bauernschaft und aus nur fünf Vertretern des Handels-
und Fabrikstandes — sollte ausgegeben werden und die Kammer
zwar künftig auch aus 75 Abgeordneten sich zusammensetzen, die
aber in 30 städtischen und 45 ländlichen Wahlbezirken ohne Rück-
sicht auf die bisher zum Prinzip gemachte Ansässigkeit gewählt
werden sollten. Für das aktive Wahlrecht war ein Alter von
25 Jahren und ein Zensus von 2 1½/ Talern an ordentlichen
und direkten Steuern, für das passive ein Alter von 30 Jahren
und ein Zensus von 10 Talern an ordentlichen und direkten
Steuern vorgeschrieben. Dieser Entwurf ging dem Landtage am
19. Juli 1850 zu und wurde von der Verfassungsdeputation
vier Monate lang beraten. Als er darauf in der ersten Kammer
auf die Tagesordnung kam, wurde er nach einer langen, aber
in gemäßigtem und ruhigem Tone verlaufenden Debatte am 7. Dez.
1850 mit 27 gegen 10 Stimmen abgelehnt. Die zweite Kammer er-
klärte sich zwar am 4. März 1851 mit 37 gegen 23 Stimmen
für die Regierungsvorlage, da dies aber nicht die durch die Ver-
fassung vorgeschriebene Zweidrittelmajorität war, so war damit