Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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wäre, damit es nicht etwa schiene, als ob er mit seiner Ent- 
lassung irgend welches Präjudiz habe geben wollen. Die preußische 
Antwort ließ nicht lange auf sich warten; sie lehnte die An- 
beraumung einer Konferenz zur Besprechung der Münchener Be- 
schlüsse rund ab und wiederholte das ursprüngliche Verlangen, 
daß die Verhandlungen mit Osterreich erst nach Abschluß des 
neuen Zollvereins beginnen könnten; es bedeutete das nach allem 
Vorangegangenen den Abbruch aller Verhandlungen. Und nun 
nahm die Sache plötzlich eine ganz ungeahnte Wendung, die das 
ganze Feingewebe der Darmstädter in rücksichtsloser Art zerriß. 
Schon lange sah Zar Nikolaus diesem Getriebe mit wenig Be- 
friedigung zu. Die Bestrebungen des Zaren, das Protektorat 
über die Christen des Orients in seiner Hand zu vereinigen, 
hatte schon seit Februar 1852 zum formellen Bruch mit Frank- 
reich geführt, das im stillen und durch offizielle Schritte den 
Widerstand des Sultans zu stärken beflissen war. Rußland mußte 
also an Bundesgenossen denken. Gerade in der Zeit, in der man 
von Osterreich aus den Bruch des Zollvereins unter Aufbietung 
der Darmstädter Myrmidonen mit Hochdruck betrieb, ersuchte der 
russische Staatskanzler Nesselrode den preußischen Ministerpräsi- 
denten von Manteuffel um eine Denkschrift in der Zollvereins- 
frage, die ihm auch zugestellt wurde, nachdem sie Manteuffel erst 
zur Begutachtung an Bismarck nach Frankfurt geschickt hatte. 
Dieser antwortete mit Bezug auf einen durchaus für Petersburg 
berechneten Passus der Denkschrift am 23. Sept.: „Ganz schlagend 
ist es, daß nicht unser Verhalten die Revolution fördert, sondern 
das unfrer Gegner, an deren Regierungen die letzten Jahre so 
eindruckslos vorübergegangen sind, daß sie offen vor ihren 
Untertanenfeststellen, wie deren materielles Wohl 
den Launen der Dynastien (oder deren leitender Minister!) 
geopfert wird. Das russische Kabinett hat aus den Symptomen 
von 1848 gewiß mehr Weisheit geschöpft, als die Darm- 
städter“ usw. 
Die Wirkung der vorangehend geschilderten politischen Si- 
tuation und der klugen preußischen Denkschrift wurde verstärkt 
durch die immer deutlicher hervortretende Absicht des Präsidenten
	        
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