— 236 —
Aufrufe „An meine Sachsen“ erklärte er sodann, daß er die
Zügel der Regierung mit dem festen Vorsatze ergreife, in des
verewigten Königs Sinn und Geist fortzuwalten, in dem Geiste
der Gerechtigkeit und Milde, jener Umsicht und Festigkeit, jener
treuen Liebe zu seinem Volke, die sein Andenken stets in Ehren
halten werde. Er forderte seine Sachsen auf, ihm mit Ver-
trauen und Liebe entgegenzukommen. In ähnlicher Weise sprach
sich der neue König auch in seiner ersten Thronrede am 10. Okt.
1854 aus.
König Johann war am 12. Dez. 1801 als der dritte und
jüngste Sohn des Prinzen Maximilian und dessen Gemahlin Karo-
line Marie Therese von Parma geboren. Die Mutter verlor
er schon am 1. März 1804. Mit um so größerer Liebe und
Hingebung nahm sich der Vater seiner verwaisten Kinder an und
erteilte ihnen selbst den ersten Unterricht im Lesen, Rechnen,
Schreiben sowie in der Religion. Die greise Oberhofmeisterin
Marquise Piatti, geb. von Erdmannsdorf, übernahm in mütter-
licher Sorgfalt die oberste Leitung der weiblichen Pflege der
Kinder. Seit seinem 9. Lebensjahre erhielt die Leitung und Er-
ziehung des Prinzen und seiner älteren Brüder Friedrich August
und Clemens der alte aus der Schweiz stammende General von
Forell und neben ihm, gewissermaßen als eine Art Studien-
direktor, der Domherr Aloys Freiherr von Wessenberg. Den
Religionsunterricht leiteten der Abbé de Silvestre, ein feinsinniger,
der bekannten Malerfamilie angehöriger Geistlicher, und der gerad-
sinnige Pater Löffler, der zwar früher dem Jesuitenorden an-
gehört, aber sich Unbefangenheit des Gemüts und eine reine,
warmherzige Religiosität bewahrt hatte; die militärische Leitung
erhielt seit 1815 General von Watzdorf. In Mathematik hielten
dem Prinzen Oberstleutnant Fleischer, in den Militärwissenschaften
Major Eppendorf, in den Rechtswissenschaften Hofrat Stübel
Vorträge.
Die Jugend des Prinzen fiel also in die Zeit der Auflösung
des Reiches und der napoleonischen Fremdherrschaft, die im Hause
des Prinzen ebenso patriotisch schmerzlich empfunden wurde, wie
anderswo. Ebenso schmerzlich mußte dann das Los der Familie