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dem Ministerium hatte von Beust dessen Portefeuille und von
Falkenstein das Ministerium des Kultus übernommen, ein für
dieses Fach ganz ausgezeichnet geeigneter Mann. Daß Beust
den Friesenschen Entwürfen aus Rücksicht auf die Standesherren
der ersten Kammer keine besondere Sympathie entgegenbrachte,
wurde schon erwähnt. Unter seinem Einfluß hatte das Mini-
sterium im Januar 1854 die Trennung von Verwaltung und
Justiz in den unteren Instanzen aufgegeben; dagegen hatte man
in den neuen Organisationsplan, der wesentlich wieder von Kohl-
schütter bearbeitet worden war, mit der Schaffung der neuen
Bezirksgerichte und Gerichtsämter die Aufhebung des Patrimonial--
gerichtsverfahrens wieder hervorsuchen müssen; man wollte durch
die Bestallung der bisherigen Patrimonialgerichtsherren zu staat-
lich fungierenden Friedensrichtern ihnen einen gewissen Ersatz
für ihre bisher innegehabte Stellung einräumen. Dieser Teil
der Vorlage stieß aber in der ersten Kammer auf den erbittertsten
Widerstand, während ihn die zweite Kammer ohne Schwierigkeit
angenommen hatte. Die erste Kammer beschloß nun mit 23 gegen
17 Stimmen die Beibehaltung der Patrimonialgerichtsbarkeit. So
stand Kammervotum gegen Kammervotum. Fürr einen solchen Fall
schreibt § 131 der Verfassung ein Ausgleichsverfahren vor: beide
Kammern ernennen aus ihrer Mitte eine gemeinschaftliche Depu-
tation, die über den strittigen Gegenstand berät, worauf die beider-
seitigen Mitglieder über das gewonnene Resultat an ihre Kam-
mer berichten und es dann zur nochmaligen Beratung stellen.
Da auch dieses Einigungsverfahren zu keinem Ergebnis führte,
so machte die Regierung von dem § 92 der Verfassung Gebrauch,
welcher besagt, daß in solchem Falle ein Gesetzesvorschlag nur
dann als abgelehnt angesehen werden kann, wenn in einer der
beiden Kammern wenigstens zwei Drittel der Anwesenden für
die Verwerfung gestimmt haben. Da das erwähnte Stimmen-
verhältnis von 23 zu 17 die Zweidrittelmajorität nicht ergab,
so erklärte die Regierung das Gesetz über die Patrimonialgerichte
für angenommen. Somit trat durch das Gesetz vom 11. Aug.
1855 die neue Gerichtsorganisation ins Leben, trotzdem noch