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wurf wurde von den Kammern ohne irgend nennenswerte Debatten
angenommen und schon am 15. Okt. 1861 publiziert. Einige
wenige Beschränkungen wurden noch festgehalten, neu eingeführt
eine erst mit dem 24. Lebensjahre beginnende Gewerbemündigkeit;
aber sonst wurden alle räumlichen und sachlichen Verbietungs-
rechte ausgehoben, den Innungen zwar der Fortbestand gewährt,
aber ohne die früheren Privilegien; Handels= und Gewerbekammern
waren ein gewaltiger Schritt zur Selbstvertretung der eigenen
Interessen. Auch sollten Gewerbegerichte die etwa infolge der
Neuordnung der Dinge aufkommenden Zwistigkeiten beheben.
In demselben Landtage, der die Gewerbefreiheit votierte, es
war der dritte ordentliche während der Regierung des Königs
Johann, der zehnte in der ganzen Folge seit Begründung der
Verfassung und dauerte vom 1. Nov. 1860 bis zum 2. Aug. 1861,
wurde auch ein Antrag auf Abänderung des in vielen Stücken
obsolet gewordenen Wahlgesetzes von 1831 eingebracht. Es unter-
lag ja keinem Zweifel, daß die damals noch berechtigte Bevor-
zugung der agrarischen Stände in die neue industrielle Entwicklung
nicht mehr hineinpaßte. Es wurde zunächst der von dem Minister
von Friesen schon am 3. Nov. 1849 eingebrachte Regierungs-
entwurf zur Abänderung des Wahlgesetzes von den Abgeord-
neten Jungnickel, Dr. Heyner und Genossen zur Begründung ihres
Antrages auf Revision des Wahlgesetzes in ganz geschickter Weise
herangezogen. Friesen, der seit dem 1. Jan. 1859 das Portefeuille
der Finanzen an Stelle des zum Justizminister ernannten von Behr
verwaltete, und Beust wußten jedoch den Antrag erfolgreich zu
bekämpfen. Die Wiedereinbringung des Wahlgesetzes von 1849
wurde dementsprechend mit einer erdrückenden Majorität gegen
zwölf Stimmen abgelehnt. Es geschah das namentlich auch in
Erwartung eines von der Regierung neu bearbeiteten Wahl-
gesetzes. Dies brachte aber keine wesentlichen Anderungen: in
der zweiten Kammer sollte die Zahl der Vertreter des Handels-
und Fabrikstandes von fünf auf zehn erhöht werden; der Zensus
wurde etwas herabgesetzt, das Wahlrecht auch den Nicht--Orts-
angesessenen gewährt und eine Vereinfachung des Wahlverfahrens
bestimmt. Trotzdem legte die Regierung auf die Annahme großen
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