Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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etwa vor dem Bestehen des Bundes in Deutschland vorhanden? 
Konnte jenes Verlangen mit vollem Rechte an einen Staaten- 
bund gestellt werden, und war daher dessen Nichterfüllung für 
die Nation eine Täuschung?“ Also: weil es vorher nicht besser 
war, brauchte es nachher auch nicht besser zu werden! Und dann 
entwickelt er nach einem verächtlichen Seitenblick auf „das seit 
drei Jahren von Westen her gepredigte Nationalitätsprinzip“ den 
Gedanken, daß die Ideale vom deutschen Bundesstaat, vom deutschen 
Kaiserthron und vom deutschen Parlamente Kinder der Revolution 
gewesen und auch heute noch seien. Interessant ist ferner, 
daß er den Geschäftsgang am Bunde als geflissentlich so ein- 
gerichtet charakterisiert, „um Langsamkeit und Verschleppung nicht 
allein zu erleichtern, sondern sie zur Regel zu machen. Alles 
wurde so eingerichtet, um auch der unbedeutendsten Verlegenheit 
auszuweichen, jede unliebsame Aufgabe möglichst von der Hand 
zu weisen“. Schwerlich kann man wohl ein vernichtenderes Urteil 
über den Bundestag sich denken, als das hier von seinem Ver- 
teidiger gelieferte. Der Entwurf aber hatte in kurzem etwa 
folgende Grundzüge: in Frankfurt sollten nur die Organe der 
Bundesverwaltung zurückbleiben, die also dort in dauernder Be- 
schäftigung zu tun hätten; der Bundestag dagegen sollte nur zwei- 
mal im Jahre auf die Zeit von längstens vier Wochen am 
1. Mai in einer Stadt des Südens — Beust schlug wegen der 
weihevollen Erinnerung an den alten Reichstag Regensburg vor — 
und am 1. Nov. in einer Stadt des Nordens, etwa Hamburg, 
zusammentreten. Neben diese regelmäßige Versammlung sollte 
noch eine Delegation aus den verschiedenen Landtagen, aber nur 
auf jeweiliges Verlangen der Bundesversammlung, zur Mitwirkung 
bei der Bundesgesetzgebung treten. In der Zwischenzeit von einer 
Session zur anderen hätte eine Exekutivbehörde zu wirken, be- 
stehend aus dem Kaiser von Österreich, dem König von Preußen 
und einem dritten von den übrigen Fürsten zu bevollmächtigen- 
den Fürsten. Das Präsidium des Bundestages aber sollte 
zwischen Österreich und Preußen abwechseln. Auf diese Weise 
meinte Beust allen Anforderungen, die man vernünftigerweise 
stellen könnte, gerecht geworden zu sein. Vor allen Dingen
	        
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