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als strengdenkender Jurist lediglich den bundesrechtlichen Stand-
punkt festhielt und diesem zuliebe und zur Erhaltung des Bundes
alle Mittel aufzuwenden für seine unausweichliche Pflicht hielt.
Dazu gehörte auch ein Schreiben, das er am selben 29. April,
an dem die Beustsche Note nach Berlin abging, an den König
von Preußen schickte. Nach den im alten freundschaftlichen Tone
gehaltenen Eingangsworten verbürgt sich der König für die Richtig-
keit der Angaben über den Effektivbestand der sächsischen Armee
und fährt dann fort: „Ich bitte Dich, allen Insinuationen, von
welcher Seite sie auch kommen mögen, keinen Glauben zu schenken.
Wir haben überhaupt in dieser ganzen Sache nirgends speziell
sächsische Politik getrieben, sondern nur den Bundesstandpunkt
festgehalten und nur das getan, was derselbe und unsere Sicher-
heit mit der peinlichen Lage, in der wir uns schon seit Monaten
befinden, dringend erheischt. Möge der Himmel uns vor traurigen
Konflikten und dem damit verbundenen unsäglichen Jammer be-
wahren.“
Zweifellos verfehlten diese aus einem aufrichtigen Empfinden
hervorgegangenen ernsten Worte nicht, auf das Herz des preußi-
schen Königs Eindruck zu machen. Aber weder war er willens,
die Erhaltung des Bundes noch als für irgend jemand ersprieß-
lich zu vertreten, noch in der Lage, die Ereignisse in ihrem
Laufe aufzuhalten. Während sein Minister die Beustsche Antwort
für ungenügend erklärte, die sächsische Armee nur als die Vorhut
OÖsterreichs erklärte und dabei dem Grafen Hohenthal versicherte:
Preußen werde daher Truppen an die sächsische Grenze schicken,
und was diese dann später vielleicht dort tun würde, sei Sache
für sich —, hatte bereits am 28. April trotz der gegenteiligen
Versicherungen Bismarcks La Marmora in einem Rundschreiben
an die europäischen Höfe die italienische Mobilmachung im wei-
testen Maßstabe als richtig erklärt. In einer Unterredung mit
dem genannten sächsischen Gesandten am 2. Mai beleuchtete Bis-
marck, offenbar in höherem Auftrage, noch einmal die Vorteile,
die Sachsen aus dem schon einmal angebotenen Bündnis mit
Preußen erlangen würde. Da dies Angebot gleichbedeutend war
mit der Auflösung des Bundes, so fand es in Dresden kein Gehör.
Sturmhoefel, Geschichte der sächsischen Lande. II. 24