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Man erwirkte von hier aus zunächst eine durch Bayern in
Berlin verlangte Zusicherung, daß eine Verletzung des sächsischen
Gebietes nicht beabsichtigt werde; hierauf antwortete Bismarck:
Preußen werde sich jeder Feindseligkeit enthalten, solange die
Osterreicher nicht in Sachsen einrücken würden. Zugleich griff
man in Dresden wieder die holsteinische Frage auf. Gegenüber
der Erklärung Bismarcks vom 27. April, daß er die Hinaus-
schiebung der Parlamentsfrage als gleichbedeutend mit Ablehnung
der Bundesreform betrachte, brachte die „Leipziger Zeitung“ am
3. Mai einen Artikel „Zur Situation“, der betonte, daß der
Bundesreform das Bundesrecht voranzugehen habe, indem
man erst die holsteinische Frage bundesrechtlich lösen müsse. Am
5. Mai beantragte die sächsische Regierung fernerhin in Frank-
furt eine an Preußen zu richtende Interpellation über die Ab-
sichten seiner Rüstungen unter Bezugnahme auf den Artikel XI
der Bundesakte. Der Antrag wurde eine Zeitlang diskutiert,
wobei Preußen den defensiven Charakter seiner Rüstungen be-
tonte und jede gewalttätige Absicht gegen Sachsen in Abrede
stellte. Dann wurde die Abstimmung auf den 9. Mai verschoben.
Am 8. erfolgte der Befehl zur Mobilmachung der preußischen
Armee. Unter dem Eindrucke dieser Nachricht unterstützte nament-
lich Bayern den Antrag Sachsens, auch Hannover trat ihm bei, so
daß er mit 10 gegen 5 Stimmen angenommen wurde. Hierbei
gab der preußische Gesandte von Savigny die wenig überzeugende
Erklärung ab: „Der sächsische Antrag drehe die wahren Ver-
hältnisse geradezu um; Preußen werde von Osterreich und Sachsen
bedroht, aber nicht Sachsen von Preußen. Es sei Pflicht des
Bundes, Osterreich und Sachsen zur Abrüstung aufzufordern, aber
nicht Preußen.“
Auf die Haltung Bayerns war von besonderem Einfluß die
Rücksicht auf Kaiser Napoleon und seine bislang noch unaufgeklärten
Absichten. Gelegentlich eines Aufenthaltes in Auxerre war er
wieder auf die Hinfälligkeit der Verträge von 1815 zu sprechen
gekommen und hatte dabei die Wendung gebraucht, daß er sie
verabscheue, eine Wendung, die um so schwerer wog, als sie in
dieser Schroffheit gar nicht geäußert, sondern erst nachträglich dem