Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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eine war ganz eigentümlicher Natur. Am 31. Mai erschien näm- 
lich bei Beust ein Freiherr Anton von Gablenz, ein Bruder des 
bekannten österreichischen Feldmarschalleutnants, der bis zu seiner 
im Jahre 1850 erfolgten Übersiedlung nach Preußen Direktor der 
sächsisch-schlesischen Eisenbahn gewesen war, und eröffnete ihm 
folgenden Plan: die Elbherzogtümer würden als besonderer 
Bundesstaat an den Prinzen Albrecht von Preußen Sohn, oder 
an den Großherzog von Oldenburg gegeben, Preußen behielte aber 
Kiel, Düppel und Sonderburg und zahle dafür 5 Millionen Taler 
an Osterreich als Ersatz der Kriegskosten. Ferner solle Preußen 
seinen Plan zur Bundesreform zurücknehmen, schlage aber vor, 
daß augenblicklich eine Revision der Bundesverfassung in dem 
Sinne vorgenommen werde, daß Preußen die Führung in Nord- 
deutschland, Osterreich in Süddeutschland übernehme. Ursprüng- 
lich hatten die Pläne Gablenz' anders gelautet, mit denen 
er sich ohne irgend einen Auftrag an den Grafen Mensdorff 
gewandt hatte. Dieser hatte nicht gerade abgelehnt, worauf der 
Vermittler eigener Wahl sich zu Bismarck begeben hatte; bei 
diesem erfuhr das Programm in Besprechungen, die vom 13. bis 
20. Mai dauerten, die Umgestaltung in die obige Form und 
mit ihr machte sich Gablenz wieder auf nach Wien, wo er am 
25. Mai vom Kaiser selbst empfangen wurde. Dieser bedauerte, 
daß dieser Vorschlag nicht vor sechs oder acht Wochen gemacht 
worden wäre, jetzt sei es wohl zu spät; in Wahrheit argwöhnte 
er, daß eine unbekannte List Bismarcks dahinter stecke. Wir wissen 
heute u. a. aus Friesens Aufzeichnungen, daß Bismarck das Pro- 
jekt doch insofern ernst meinte, als es gegenüber der noch an 
höchsten Stellen vorhandenen Friedensströmung als letzter Ver- 
such ins Feld geführt werden konnte. Überdies ließ die Kriegs- 
lust den Friedensvorschlag beiseite schieben, der zweifellos für 
Osterreich große Vorteile bot. Am 28. Mai lehnte Graf Mens- 
dorff den „unterirdischen Friedensversuch" ab, und nun war 
Gablenz nach Dresden gekommen, um Beust zur Befürwortung 
der von ihm vertretenen Sache in Wien zu gewinnen. Es ist 
nicht zu verwundern, daß er sich hier ebenfalls einen Korb holte. 
Abgesehen von dem Mißtrauen, das Beust von vornherein
	        
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