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des deutschen Bundes. Dieser Vorschlag wurde zuerst von der
preußischen Regierung mit großer Courtoisie angenommen, ob-
wohl sich Bismarck gleichzeitig zu dem General Govone über
die Nutzlosigkeit des Kongresses und die Unvermeidlichkeit des
Krieges äußerte. Ebenso akzeptierten die italienische Regierung
und der deutsche Bund. Beust, der ebensowenig an die Wirksam-
keit eines solchen Friedenskongresses glaubte, telegraphierte gleich-
wohl an den sächsischen Gesandten von Könneritz in Wien: „Hoffent-
lich lehnt man in Wien den Kongreß nicht ab; es wäre ein großer
Fehler.“ Trotz dieses indirekten Winkes besaß man in Wien
nicht die Klugheit, sich durch Eingehen auf die französische Ver-
mittelung den Anschein der Friedensliebe zu sichern. Man erklärte
sich zwar bereit, den Kongreß zu beschicken, machte diese Be-
schickung aber am 4. Juni von den zwei unmöglichen Bedingungen
abhängig, daß auf dem Kongreß keinerlei Gebietsfragen ver-
handelt würden, und daß die beteiligten Mächte im voraus auf
jede Gebietsvergrößerung verzichten sollten. Damit war die
Kongreßfrage beseitigt. Als Bismarck in Gegenwart des fran-
zösischen Botschafters Benedetti noch am 4. Juni diese Nachricht
erhielt, brach er erfreut in den Ruf aus: „Es lebe der König!“
und fügte, ohne sich Zwang anzutun, in hocherfreutem Tone
hinzu: „Das ist der Krieg!“ — —.
So wenig erfreut Napoleon über das Scheitern der Kongreß-
idee und über das geringe Entgegenkommen Osterreichs war, so
war er im Innersten doch nicht minder gereizt gegen Bismarck,
der seinem Verlangen nach dem linken Rheinufer nur immer
mit vagen Versicherungen entgegenkam. Er suchte sich deshalb
schon gleich nach dem 4. Juni mit Osterreich zu verständigen. Am
9. Juni wurde durch den französischen Gesandten Gramont in
Wien ein Vertrag unterzeichnet, der auf jeden Fall Venetien an
den Kaiser Napoleon zur Weitergabe an Italien abtrat und als
Gegenleistung von Frankreich zum mindesten dessen Neutralität
verlangte. Der Wortlaut dieses Vertrags ist jedoch bislang noch
nicht bekannt geworden. Der Verdacht liegt nahe, daß Osterreich
nicht nur Neutralität, sondern Waffenhilfe von Napoleon verlangt
habe, und dann ist es nicht schwer, die Gegenleistung zu erraten.