Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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scher Sitte gewesen sei, der sein gegenwärtiges Dasein allein dem 
Kaiser Franz verdanke, ein so gefährliches Beispiel habe geben 
können; der Kaiser sei fest entschlossen, nicht über eine gewisse 
Grenze hinaus ein wohlwollender Zuschauer dieser Unordnungen 
zu bleiben. Der sächsische Gesandte in Wien, Graf Schulenburg, 
ganz ein Mann der Einsiedelschen Richtung, eilte aus Wien nach 
Dresden, um hier seine warnende Stimme ertönen zu lassen. 
Lindenau befahl ihm, sich sofort auf seinen Posten zurückzubegeben, 
und antwortete, nunmehr des Rückhaltes an Preußen sicher, die 
neue Regierung werde durch eigene Kraft ihr monarchisches An- 
sehen behaupten, und lehnte weitere Einmischungen kühl ab. 
Immerhin saß die neue Regierung in dieser Zeit des Über- 
gangs vom Alten zum Neuen noch nicht unbedingt fest im Sattel. 
Wie stets in solchen Tagen, war eine radikale Partei vorhanden, 
die mit den in Aussicht gestellten Reformen noch lange nicht 
zufrieden war. Sie zeigte sich vor allem in Dresden, wo über- 
dies noch einige von der polnischen Revolution herübergekommene 
Flüchtlinge als politische Märtyrer und Orakel Verehrung genossen. 
Ferner aber rekrutierte sie sich aus der durch die Bildung der 
Kommunalgarde überflüssig gewordenen und darum am 4. Dez. 
1830 aufgelösten Nationalgarde. Diese Auflösung war an sich 
schon nicht ohne Widersetzlichkeiten vor sich gegangen. Aus den 
bisherigen Mitgliedern, die in hochtönenden Worten Verwahrung 
einlegten gegen die Beschimpfung, die „der gesamten National- 
garde nicht bloß in Europa, sondern auch in anderen Weltteilen 
widerfahren“ sei, bildete sich ein sog. Bürgerverein. In ihm führte 
der Advokat Mosdorf das große Wort und von ihm stammte 
der Entwurf zu einer „Konstitution, wie sie die Sachsen wollen“. 
Sie trug die Aufschrift: „Und wird sie nicht gewährt, so pochen 
wir mit den Flintenkolben an!“ und forderte Volkssouveränität, 
Abschaffung des Adels und des stehenden Heeres. Zudem führten 
die Sachsenzeitung, der Vaterlandsfreund, die Zwickauer „Biene“ 
eine aufreizende Sprache und mit Umgehung der sächsischen Zensur 
oder in Winkeldruckereien gedruckt fanden radikale Flugschriften 
große Verbreitung. Als zwei Verbreiter solcher Flugschriften, 
die natürlich auch Mitglieder des Bürgervereins waren, ver- 
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