Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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die Revision des Strafgesetzbuches, bei der eine alte Frage wieder 
auf die Tagesordnung gelangte, die der Todesstrafe. Das könig- 
liche Haus war schon seit den Tagen Friedrich Augusts II. gegen 
das ultimum supplicium gewesen; Prinz Johann hatte mehrfach 
Gelegenheit genommen, sich dagegen zu äußern und als König 
nie ein Todesurteil vollzogen. Als im Ministerrate die Ab- 
schaffung beschlossen war, schrieb der König am 10. Jan. 1868 
an den Justizminister Dr. Schneider: „Gott segne unsern heu- 
tigen Entschluß und lasse ihn zum Besten des Landes gereichen!“ 
Des Kronprinzen Meinung stimmte mit der seines Vaters überein, 
und die Mehrheit der Kammern war auch auf dieser Seite bei 
der am 19. Mai 1868 votierten Aufhebung der Todesstrafe. Die 
konservative Partei stimmte in der ersten Kammer dagegen. Die 
Praxis hat dann später ergeben, daß sie recht hatte, d. h. daß 
mit Humanität und ähnlichen Prinzipien der wachsenden Brutalität 
nicht mit Erfolg entgegengetreten werden könne. Überdies waren 
diese Beschlüsse verfrüht gefaßt worden, denn die Abfassung eines 
norddeutschen Reichsstrafgesetzbuches stand bevor, und dessen Ent- 
wurf enthielt die Beibehaltung der Todesstrafe. Es war Auf- 
gabe des am 30. Sept. 1869 auf Grund des neuen Wahlgesetzes 
zusammentretenden 13. ordentlichen Landtags, zu diesen Dingen 
Stellung zu nehmen. Die erste Kammer einschließlich der beiden 
Prinzen sprach sich im Januar 1870 gegen den Bundesentwurf 
aus. Aber es blieb schließlich doch nichts anderes übrig, als 
daß am 31. Mai 1870 promulgierte Strafgesetzbuch des Nord- 
deutschen Bundes auch für Sachsen anzunehmen. 
Andererseits aber galten wieder die bewährten Einrichtungen 
Sachsens als Muster für die Bundesverfassung, und die sächsischen 
Bundeskommissarien hatten in vielen Fragen das Ohr des Reichs- 
kanzlers und seiner Räte. Abgesehen von dem vertrauensvollen 
Achtungsverhältnis, das seit den Friedensunterhandlungen zwischen 
Bismarck und Friesen existierte, war Geheimrat Weinlig eine auch 
sonst allgemein anerkannte Autorität in Fragen des Heimatrechts, 
der Freizügigkeit und der Gewerbeordnung, gleichermaßen der 
Geh. Rat von Thümmel in Zoll-, Münz= und Budgetsachen und 
endlich der Geh. Justizrat Klemm auf juristischem Gebiete.
	        
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