Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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richten fehlen, daß Kronprinz Albert bei seinen wiederholten Aufent- 
halten in Osterreich sein freundschaftliches Verhältnis zu Kaiser 
Franz Josef benutzt hat, um diesem die neuen Verhältnisse näher- 
zubringen. So reiste er im Anschluß an die im September 1869 
erfolgte Beteiligung an der Inspektion des I. (ostpreußischen) 
Armeekorps, bei welcher Gelegenheit ihm der König von Preußen 
das 2. ostpreußische Dragonerregiment Nr. 10 verlieh, nach 
Gödöllö in Ungarn zum Kaiser Franz Josef. Während er am 
21. Sept. zu Wien das neue Opernhaus besuchte, geriet durch 
einen sonderbaren Zufall genau zur selben Stunde das schöne von 
Semper erbaute Hoftheater in Dresden in Brand und wurde 
völlig ein Raub der Flammen. Es entsprach der vornehmen 
Gesinnung des Königs Johann, daß er in der ganzen Zeit, bis 
ein Interimstheater fertiggestellt war, den Sängern und Schau- 
spielern und sonstigen Beamten die Gehälter in gleicher Höhe 
fortbezahlen ließ. 
Infolge dieser Abwesenheit nahm der Kronprinz nicht teil 
an der am 30. Sept. erfolgten Eröffnung des nach dem Wahl- 
gesetze vom 3. Dez. 1868 gewählten Landtags. Eine neue Parteie 
erschien auf ihm, die nationalliberale, die sich bei den am 4. Juni 
stattgehabten Wahlen von den 80 Sitzen der zweiten Kammer 
32 erobert hatte, und zwar nicht bloß in den städtischen, sondern 
auch in den ländlichen Wahlbezirken. Die neue Partei — und 
darin lag damals und noch auf Jahre hinaus ihre Stärke — 
betonte in ihrem Programm, daß ihr vor allem der Ausbau 
und die Pflege eines innigen Verhältnisses zwischen dem Königreich 
und dem Norddeutschen Bunde am Herzen läge. Anfangs war 
ihr Auftreten in der Kammer nicht von dem erwarteten Erfolge 
begleitet, da ihr die konservative Seite des Hauses Widerpart 
leistete; an deren Einspruch scheiterte die von den National- 
liberalen eingebrachte Reform der städtischen und ländlichen Ge- 
meindeverfassung und die Einfügung eines obligatorischen Fort- 
bildungsunterrichts in das Volksschulgesetz vom 6. Juni 1835. 
Doch ergab sich ein Gegensatz nicht nur zur konservativen Partei, 
sondern auch zu der mehrfach erwähnten fortschrittlichen Rich- 
tung. Dieser Gegensatz trat in kleineren Dingen zutage, aber
	        
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