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mand weniger begierig, die Hand nach dem kaiserlichen Diademe
auszustrecken, wenn nicht eine allseitig anerkannte maßgebliche
Machtstellung damit verbunden wäre, als König Wilhelm von
Preußen. Was die Einigungsfrage anging, so war nur Baden
von vornherein entschlossen, in die Verfassung des Norddeutschen
Bundes einzutreten. In Hessen-Darmstadt war zwar ein Dalwigk
noch am Ruder, aber dem Drucke der nationalen Stimmung und
der gänzlich umgestalteten Verhältnisse konnte doch auch er sich
nicht entziehen. Sein gleichgesinnter Kollege Varnbüler in Stutt—
gart machte schon am 31. Aug. dem nationalgesinnten Freiherrn
von Mittnacht Platz, dem der Kriegsminister von Suckow als
entschiedener Freund des engsten Anschlusses sekundierte; auch
brachten die Wahlen zur Kammer im Oktober eine volle Nieder-
lage der partikularistischen Partei. So blieb einzig noch München
als die feste Burg der partikularistischen und antipreußischen Be-
strebungen. Der preußische Minister und Präsident der nord-
dentschen Bundeskanzlei, Delbrück, den auf Wunsch des Königs
Ludwig II. Bismarck Mitte September nach München entsandt
hatte, verließ die bayrische Hauptstadt trotz der gleichzeitig in
Wirkung getretenen Vermittlung des Königs Johann am 28. Sept.
unverrichteter Sache, da die vielen dort verlangten Reservatrechte
unmöglich mit einem ersprießlichen Zusammenschluß zu einer staat-
lichen Einheit in Einklang gesetzt werden konnten. Da aber An-
fang Oktober die badische Regierung ihren bedingungslosen An-
schluß an die norddeutsche Bundesverfassung in Versailles hatte
erklären lassen und die hessische und württembergische bald nach-
folgten, so setzte sich Bayern einer bedenklichen Isolierung aus
und entsandte am 20. Okt. zwei Bevollmächtigte zu Unterhand-
lungen nach Versailles.
Gerade von diesem Tage ist ein Schreiben des Königs Johann
an den König Wilhelm datiert, in dem sich die treudeutsche Ge-
sinnung des sächsischen Herrschers deutlich an den Tag legt: „Mit
großem Interesse verfolge ich auch die Aussichten auf eine Ord-
nung der gesammtteutschen Angelegenheiten, zu denen die Ver-
handlungen mit den südteutschen Staaten Aussichten zu eröffnen
scheinen. Mein innigster Wunsch ist es, daß es gelingen möge,