Full text: Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande und ihrer Herrscher. II. Band, 2. Abteilung. Das Albertinische Sachsen von 1815-1904. (4)

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die Volksschule blieb unerledigt. Da jedoch in der zweiten Kam- 
mer die nach § 92 erforderliche Zweidrittelmajorität für Ver- 
werfung der von der ersten Kammer allerdings mit Veränderungen 
angenommenen Regierungsvorlage nicht zustande kam, so trat 
der Gesetzentwurf schließlich doch noch in Kraft und wurde am 
26. April 1873 vom Könige vollzogen. 
Da dies Gesetz von höchster Bedeutung für die Weiter- 
entwicklung der sächsischen Volksbildung gewesen ist, so mögen 
die wesentlichsten Bestimmungen hier angeführt werden. Zunächst 
was die Schulverfassung anlangt, übertrug das neue Gesetz die 
Vertretung der Schulgemeinde einem Ausschusse der Gemeinde- 
vertretung, in dem auch Vertreter der Lehrerschaft und der im 
Auftrage des Staates aufsichtführende Ortsschulinspektor zu sitzen 
hatten. Gerade in betreff des letzteren hatte das neue Gesetz 
grundlegende Anderungen. Durch das frühere Gesetz war den 
Ortsgeistlichen als Lokalschulinspektoren, den Superintendenten 
als Distriktsschulinspektoren die Aufsicht über das Schulwesen über- 
tragen worden. Da sich verschiedene Mißhelligkeiten aus diesen 
Amtsbefugnissen der Geistlichkeit ergaben, so stellte man in größeren 
Städten zur Ausübung der Lokalschulinspektion Schuldirektoren 
an, die jedoch mit den geistlichen Inspektoren häufig in Kom- 
petenzkonflikte gerieten. Das Gesetz von 1873 bestimmte nun, daß in 
den Städten und Dörfern, in denen Schuldirektoren angestellt 
seien, diesen die Ortsschulinspektion gebühre, in den Orten aber, 
die einen Schuldirektor noch nicht hätten, die Schulinspektion bei 
dem Ortsgeistlichen als staatlichem Vertreter zu verbleiben habe. 
An Stelle der bisherigen geistlichen Distriktsschulinspektoren traten 
Bezirksschulinspektoren, zumeist dem Lehrerstande selbst entnom- 
men, also Fachmänner, die in lebendiger Fühlung mit den ihrer 
Aufsicht unterstellten Lehrkräften ihr Augenmerk allein auf die 
gedeihliche Entwicklung des Schulwesens richten konnten. Solcher 
Schulinspektoren wurden in Sachsen 28 angestellt. 
Das neue Gesetz stellte die Religion in den Mittelpunkt des 
Unterrichts, damit also prinzipiell von der von anderer Seite 
verlangten Konfessionslosigkeit abgehend. Als weitere Unterrichts- 
gegenstände bezeichnete das neue Gesetz deutsche Sprache mit Lesen 
Sturmhoefel, Geschichte der sächsischen Lande. II. 33
	        
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