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und auf diesem nach der Residenz überführt. Die Beisetzung
erfolgte schon am 31. Okt. Leider konnte Kaiser Wilhelm seine
in dem Beileidstelegramm ausgesprochene Absicht, hierbei zu-
gegen zu sein, durch eine Erkältung behindert, nicht ausführen.
Ihn vertrat der Kronprinz Friedrich Wilhelm. Auch Kaiser Franz
Josef war am persönlichen Erscheinen behindert und ließ sich
durch den Erzherzog Karl Ludwig vertreten; von England kam
Prinz Alfred, um im Auftrage der Königin Viktoria dem Senior
des wettinischen Hauses die letzten Ehren zu erweisen. Als Ver-
treter der deutschen Fürsten erschien Großherzog Friedrich von
Baden, außerdem aber waren teils persönlich, teils vertreten auch
die Ernestiner zugegen. Beigesetzt wurden die irdischen Reste des
verewigten Königs in herkömmlicher Art in der Gruft der katho-
lischen Hofkirche.
Ein langes und reiches Leben war mit dem Tode König
Johanns zu Ende gegangen, reich an Arbeit und Sorge, reich
an guten und bösen Erfahrungen. Unerwartet rasch durch den
jähen Tod des Bruders zum Thron berufen, hatte er das könig-
liche Amt fast 20 Jahre lang mit Umsicht und nie ermattender
Pflichttreue verwaltet. Er hatte die Freude, das Land infolge
seiner sorgfältigen, das Einzelne wie das Ganze mit gleicher
Liebe umfassenden Regierung sichtlich emporblühen zu sehen. Frei-
lich wurde eben dieses Land am meisten von jenen Kämpfen
erschüttert und mitgenommen, die die deutsche Einheit vorbereiteten.
Die Ereignisse lehrten, daß die im Kriege von 1866 genommene
Partei und die darauf hinarbeitende Politik der vorangegangenen
Jahre verfehlt war. Aber trotz so mancher äußeren Demütigung
und trotz persönlicher trüber Erfahrungen blieb dem König doch
Elastizität des Geistes und Charakters genug, um sich in die neuen
Verhältnisse einzuleben und ein wertvolles Mitglied erst des Nord-
deutschen Bundes und dann des neuen Reiches zu sein. Die Auf-
gaben und Pflichten des Königtums hinderten ihn zwar, in gleicher
Weise, wie früher, sich ausschließlich den Wissenschaften, ins-
besondere den schöngeistigen, widmen zu können. Aber untren
wurde er ihnen darum nicht. Noch Ende 1871 erschien der zweite,
wenn auch unveränderte Abdruck der revidierten Ausgabe von