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zu haben, erregte im ganzen Lande berechtigtes Aufsehen und ver-
anlaßte am 5. Dez. 1873 eine sehr erregte Aussprache zwischen
Falkensteins Nachfolger, dem Kultusminister von Gerber, und den
Abgeordneten Ludwig, der einen betr. Antrag eingebracht hatte,
Schreck und Biedermann. Namentlich Ludwig zieh den vorigen
Kultusminister einer absichtlichen Konnivenz gegen die katholische
Kirche, insbesondere gegen den Katholizismus des Hofes. „Am
26. April 1871,“ so sagte er u. a., „ist das Gesuch um Erteilung
des Plazet eingegangen. Am 30. Mai ist das Gesuch um Er-
teilung der Erlaubnis zur Verlesung des Hirtenbriefes einge-
gangen. Am 1. Juni, also gleich 24 Stunden nachher, ist die
Erlaubnis erteilt worden, den Hirtenbrief zu verlesen; am 16. Juni
ist der Hirtenbrief verlesen worden, und am 26. Juni 1871 end-
lich — seit dem 26. April! — ist die Verordnung erlassen worden,
daß die Genehmigung nicht erteilt und das Plazet nicht dazu
gegeben werde, daß das Unfehlbarkeitsdogma publiziert werde.
Meine Herren! Nennen Sie das, wie Sie wollen, ich kenne da
keinen andern Ausdruck: das scheint mir eine arge Komödie, wo
nicht ein arger Jesuitismus in protestantischem Land zu sein!“ —
Es war vergeblich, daß von Gerber seinen Vorgänger in Schutz
nahm und die Notiz im Kirchenblatte als durchaus irrelevant hin-
zustellen versuchte; die Kammer nahm mit 70 Stimmen gegen drei
den von den Abgg. Ludwig, Biedermann, Gensel usw. eingebrachten
Antrag an: „an die Königl. Staatsregierung das Ersuchen zu
richten: in geeigneter Weise und insbesondere durch eine Bekannt-
machung im „Kathol. Kirchenblatt“ zunächst für Sachsen alsbald
öffentlich zu bekunden, daß eine Verkündigung des Unfehlbarkeits-
dogmas durch die Verlesung des Briefes von den Kanzeln nicht
stattgefunden habe und nicht habe stattfinden können.“
Dieser Beschluß wurde der ersten Kammer mitgeteilt und be-
schäftigte diese am 7. Febr. 1874. Da hier Falkenstein selbst sich
genügend rechtfertigte und auch Bischof Forwerk beruhigende Er-
klärung abgab, so folgte die Kammer dem von den beiden protestan-
tischen Leipziger Prosessoren Fricke und Lechler gemachten Vor-
schlag, den Antrag der zweiten Kammer auf sich beruhen zu lassen,
und da mittlerweile das Kirchenblatt seit dem 1. Jan. 1874 unter