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hatte ja aber vor drei Jahren den Anstoß zu der Bewegung ge-
geben. Ordensschwestern, denen der Entwurf nur Krankenpflege
einräumte, erhielten auch die mit Erziehung verbundene Kinder-
pflege eingeräumt. Hierüber entspann sich am 15. Mai 1876 eine
sehr lebhafte Debatte in der zweiten Kammer, während der die
mit den Konservativen eng zusammengehenden Fortschrittsleute
unter Schaffraths Führung alle Versuche der Nationalliberalen,
weitere Bürgschaften gegen mögliche künftige Auflehnungen der
Kirchengewalt gegen den Staat in das Gesetz zu bringen, beharrlich
zurückwiesen. Das in abgeschwächter Form von der Kammer am
selben Tage angenommene Gesetz erhielt dann nach der Annahme
durch die erste Kammer und durch den König am 23. Aug. 1876
Gesetzeskraft.
Glücklicherweise hielten sich die religiösen Verhältnisse auch
fernerhin in den bisher befolgten Bahnen des Friedens. Während
z. B. die meisten deutschen Bischöfe bei der Sedanfeier 1874 dem
Beispiele des Bischofs von Ketteler zu Mainz folgten, hielt der schon
genannte Bischof Forwerk selbst Hochamt und Tedeum am Sedantage
in der katholischen Hofkirche ab und gestattete den ihm unterstehen-
den Kirchen das Festgeläute. Dieser versöhnliche Geistliche starb
am 8. Jan. 1875. An seine Stelle trat Franz Bernert, der 1892
durch den schon genannten Ludw. Wahl abgelöst wurde. Auch
während deren Amtsführung kamen keine wesentlichen Störungen
des konfessionellen Friedens vor, namentlich da König Albert
selbst in dieser Richtung ein wachsames Auge hatte. Als 1899
darüber Klage geführt wurde, daß evangelische Kadetten, die zum
Hofdienste in die katholische Hofkirche kommandiert waren, dort bei
Erhebung der Monstranz u. dgl. zur Kniebeugung sich veranlaßt
gesehen hatten, beseitigte ein königliches Dekret vom Anfang Juni
1899 den gerügten Ubelstand.
In das kirchliche Leben griff selbstverständlich sehr stark das
Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875, das sogen. Zivilstandsgesetz
ein, wonach die Beurkundung der Geburten, Heiraten und Sterbe-
fälle von den Pfarrämtern auf die vom Staate bestellten Standes-
ämter überging. Dieses Gesetz erfuhr als Entwurf auch in Sachsen
die lebhafteste Opposition seitens der kirchlichen Elemente. So